Frank Lüttig, Generalstaatsanwalt in Celle, hat deutliche Worte an seine Kollegen in der Justiz gerichtet. Es fehle am entschiedenen Umgang mit Antisemitismus, was Rechtsextreme wiederum ausnutzten. Zwei Verfahren führt er als Beispiele an.
Der Celler Generalstaatsanwalt Dr. Frank Lüttig fordert einen konsequenteren Umgang der Justiz mit antisemitischen und rechtsradikalen Äußerungen. Diese artikulierten sich heute viel stärker als es früher der Fall gewesen sei, sagte Lüttig der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung von Montag: "Da muss die Justiz klare rote Linien einziehen und sich nicht in akademischem Geplänkel verlieren." Lüttig kritisierte unter anderem Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Hannover und des Oberlandesgerichts Braunschweig, Verfahren wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung und Verharmlosung des Holocausts einzustellen.
Lüttig warf Richter:innen und Staatsanwält:innen in dem Interview ein Demokratie- und Geschichtsverständnis vor, das die Meinungsfreiheit über alles stelle. Rechtsextreme und antisemitische Agitation nutzten genau das nur zu gerne aus. Er führt dabei zwei Verfahren als Beispiele an.
Das erste Beispiel: Zur vergangenen Europawahl stand auf einem Wahlplakat der rechtsextremen Partei "Die Rechte": "Zionismus stoppen - Israel ist unser Unglück". Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte hier Volksverhetzung verneint und von einer legitimen Kritik am Staat Israel gesprochen. Die Generalstaatsanwaltschaft habe den Fall verfolgen wollen, sei aber am Ermittlungsrichter am Amtsgericht Hannover ebenso gescheitert wie am Landgericht Hannover, sagte Lüttig: "Das war kein Ruhmesblatt für die Justiz." Jedem noch so schlichten Gemüt sei klar, dass "Israel ist unser Unglück" nichts anderes bedeute als "die Juden sind unser Unglück".
Beispiel Nummer zwei: Das Oberlandesgericht Braunschweig hatte während der Corona-Pandemie in letzter Instanz geurteilt, dass das Tragen eines gelben, dem Judenstern nachempfundenen "Ungeimpft"-Sterns nicht die Verbrechen des Holocaust verharmlose. "Ich halte die Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig für grundlegend falsch und geschichtsvergessen", sagte Lüttig. In seinem Zuständigkeitsbezirk werde ein solcher Judenstern konsequent verfolgt.
Der Judenstern für Jüd:innen stammt aus der Zeit der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Er wurde im September 1941 verpflichtend, musste auf der linken Brustseite des Kleidungsstücks getragen werden und diente dazu, Einschränkungen und die Bewegungsfreiheit von Jüd:innen zu kontrollieren.
dpa/ast/LTO-Redaktion
Plakat "Israel ist unser Unglück" und der "Ungeimpft"-Stern: . In: Legal Tribune Online, 25.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52776 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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