Generalbundesanwalt ermittelt gegen netzpolitik.org: "Landesverrat" durch kritischen Journalismus

Unlängst hatten wir über die Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen Quellen von netzpolitik.org berichtet. Wie nun bekannt wurde, sind auch die Journalisten selbst ins Visier der Strafverfolgungsbehörde gerückt. Ein historischer Vorgang.

Mitte des Monats wurde bekannt, dass der Generalbundesanwalt gegen Whistleblower, die dem Portal netzpolitik.org geheime Dokumente aus den Reihen des Verfassungsschutzes zugespielt hatten, Ermittlungen führt. Aus den Papieren, die im Wesentlichen das Budget der deutschen Geheimdienste betrafen, ergaben sich auch Pläne zur Errichtung einer Spionageeinheit beim Verfassungsschutz.

Das Portal, das sein Angebot als "zwischen WikiLeaks und Spiegel stehend" bezeichnet, spekulierte, dass Zweck der Maßnahme nicht bloß die eigentliche Strafverfolgung, sondern auch die Einschüchterung von Journalisten und die Unterdrückung zukünftiger kritischer Berichterstattung sein könne - und erklärte sogleich, sich davon nicht einschüchtern zu lassen.

Pressefreiheit conta Geheimhaltungsinteresse des Staates

Ein Versprechen, das sie nun einlösen können. Wie die Seite am Donnerstagnachmittag meldet, richten sich die Ermittlungen nicht nur gegen ihre Quellen, sondern auch gegen zwei der Gründungsmitglieder, die an der fraglichen Berichterstattung beteiligt waren. Ausschlaggebend könnte dabei die Tatsache sein, dass netzpolitik, seinem Grundsatz möglicht transparenter Berichterstattung folgend, nicht nur aus den geheimen Papieren des Verfassungsschutz zitiert, sondern diese auch online gestellt hat.

Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR gehen die jetzigen Ermittlungen gegen netzpolitik auf eine Strafanzeige von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zurück. Auf eine weitere Anzeige, die dieser wegen eines Berichts zum NSU gegen die drei vorgenannten Medien selbst erstattet haben soll, sind bislang offenbar keine Ermittlungen eingeleitet worden.

Letzte Ermittlungen wegen Landesverrats gegen Journalisten endeten in Fiasko

Ermittlungen von Strafverfolgungsbehörden gegen Journalisten sind ungewöhnlich; umso mehr, seit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 2007 in einem Grundsatzurteil die Durchsuchung der Redaktionsräume des Polit-Magazins Cicero durch die Staatsanwaltschaft für verfassungswidrig erklärt hat (Urt. v. 27.02.2007, Az. 1 BvR 538/06). In vergangenen Entscheidungen hatte das BVerfG wiederholt die Bedeutsamkeit der Pressefreiheit betont, die auch das staatliche Geheimhaltungsinteresse überwiegen kann.

Wegen des gegenüber netzpolitik angeblich bestehenden Verdachts auf Landesverrat wurde zuletzt im Jahr 1962 gegen ein Medium ermittelt - damals war es Der Spiegel. Die Ermittlungen entwickelten sich damals zu einem Fiasko sondergleichen für die Strafverfolgungsbehörden, über das mehrere Staatssekretäre sowie der damalige Verteidigungsminister stürzten; die volle Geschichte ist an anderem Ort ausführlich erzählt worden.

Weiterhin keine Ermittlungen gibt es übrigens in der NSA-Affäre. Generalbundesanwalt Harald Range erklärte erst vor wenigen Tagen, dass für ihn kein Anfangsverdacht der Spionage durch ausländische Geheimdienste bestehe.

Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden, Generalbundesanwalt ermittelt gegen netzpolitik.org: . In: Legal Tribune Online, 30.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16447 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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