Mütter oder Väter, deren Kinder vom anderen Elternteil ins nicht europäische Ausland entführt wurden, haben nur dann Anspruch auf Kindergeld, wenn die Kinder innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten nach der Entführung nach Deutschland zurückkehren. Liegt die Entführung dagegen schon Jahre zurück, besteht kein Kindergeldanspruch. Das entschieden die Kasseler Richter in einem am Dienstag bekannt gewordenen Urteil.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der klagenden Mutter für 2008 kein Kindergeld zusteht, weil die Kinder nach ihrer Entführung ins Ausland keinen inländischen Wohnsitz in ihrem Hause hatten. Soweit andere Finanzgerichte und der Bundesfinanzhof in Entführungsfällen eine Beibehaltung des Wohnsitzes des Kindes bejaht hätten, betreffe diese Rechtsprechung Fälle, in denen die Kinder jeweils nur wenige Monate nach der Entführung nach Deutschland zurückgekehrt waren.
In diesen Fällen greife die gesetzliche Wertung in § 9 Abs. 2 Abgabenordnung, wonach bei einer Rückkehr innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten von einer Beibehaltung des Wohnsitzes auszugehen ist. Anders verhalte es sich jedoch im Streitfall bei einer Entführung über mehrere Jahre, weil dann nicht mehr ein nur als vorübergehend einzustufender Auslandsaufenthalt vorliege. Weil im Streitfall auch keine besonderen Umstände vorlägen, die ein Festhalten am Inlandswohnsitz rechtfertigen könnten, stehe der Mutter ab 2008 auch kein Kindergeld mehr zu (Urt. v. 26.05.2011, Az. 3 K 1724/10).
Die Frau hatte für ihre drei Kinder zunächst Kindergeld erhalten. Die Kinder waren dann im Jahre 2002 vom Vater ins außereuropäische Ausland entführt worden, wofür der Mann später mit rechtskräftigem Strafbefehl zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt wurde. Zudem hob die Familienkasse im Jahre 2003 die Kindergeldfestsetzung auf.
Im Jahre 2008 beantragte die Mutter erneut die Festsetzung von Kindergeld für die drei immer noch nicht zurückgekehrten Kinder. Die Kinder hätten vor der Entführung ihren festen Wohnsitz in ihrem Haushalt gehabt. Sie sei auch als Hauptbezugsperson für sämtliche Belange der Kinder zuständig gewesen und halte in ihrem großen Haus im Inland immer noch Zimmer für den Fall der nicht ausgeschlossenen Rückkehr der Kinder vor. Die Familienkasse lehnte die Zahlung von Kindergeld ab dem Jahr 2008 mit Einspruchsentscheidung aus dem Jahre 2010 ab, weil nach einem achtjährigen Auslandsaufenthalt der mittlerweile neun, 15 und 18 Jahre alten Kinder von der Aufgabe des Wohnsitzes in Deutschland auszugehen sei. Dieser Ansicht schloss sich das FG nun an.
tko/LTO-Redaktion
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FG Hessen: . In: Legal Tribune Online, 22.11.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4867 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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