Vor fünf Jahren trat das Anti-Doping-Gesetz in Kraft. Schon damals stand das Gesetz in der Kritik. Jetzt wurde das Gesetz im Auftrag des Bundestages evaluiert – das Fazit fällt gemischt aus.
Die Leipziger Strafrechtsprofessorin Dr. Elisa Hoven hat gemeinsam mit dem Augsburger Strafrechtsprofessor Dr. Michael Kubiciel im Auftrag des Bundestages die Anwendung des Anti-Doping-Gesetzes in der Praxis evaluiert. Ihr Fazit fällt gemischt aus: "Das Gesetz war ein wichtiger Schritt. Gerade Selbstdoping stellt die Integrität des Sports in Frage – und die Verbände haben nicht dieselben Ermittlungsmöglichkeiten wie staatliche Stellen. Auf der anderen Seite: Bislang gibt es nur wenige Strafverfahren", sagte Hoven.
Das Anti-Doping-Gesetz trat vor fünf Jahren in Kraft und sieht auch Strafen für Sportler vor, die Dopingmittel einnehmen oder unter Doping an Wettkämpfen teilnehmen. An der Kriminalisierung des Selbstdoping entzündete sich während des Gesetzgebungsverfahrens die Kritik von Sportlern, Sportverbänden und aus Teilen der Rechtswissenschaft. Athleten befürchteten, dass sie unberechtigterweise, etwa durch Manipulationen ihrer Konkurrenten, zum Gegenstand von Ermittlungen werden. Rechtswissenschaftler monierten, es sei nicht Aufgabe des Staates, die Einhaltung von Sportregeln zu sichern und die Spieler vor selbstschädigenden Handlungen zu schützen.
Die Auswertung sämtlicher Akten zu Verfahren, die deutsche Staatsanwaltschaften wegen des Verdachts des Selbstdopings geführt haben, zeigt nun laut Hovens und Kubiciels Ergebnissen, dass der Großteil der Ermittlungsverfahren eingestellt wird. "Nur drei Sportler haben in den letzten Jahren wegen Selbstdopings einen Strafbefehl erhalten, die Verurteilung des Berufsboxers Felix Sturm durch das Landgericht Köln zu Anfang des Jahres ist die bislang einzige", berichtet Hoven.
Gesetz trifft vor allem Bodybuilder
Kubiciel führt dafür zwei Gründe an: "Es fehlt im Sport an Whistleblowern, daher wäre über eine Ausweitung der Kronzeugenregelung nachzudenken." Außerdem falle Selbstdoping in der Regel nur durch positive Trainings- und Wettkampfproben auf. Laut Kubiciel reichen diese aber für den Tatnachweis und eine Bestrafung nicht aus, da das Gesetz weitere Strafbarkeitsvoraussetzungen habe, deren Nachweis den Staatsanwaltschaften schwer falle.
"Die Strafbarkeit wird nach dem geltenden Recht auf bestimmte Athletinnen und Athleten beschränkt", ergänzt Hoven. Erfasst würden unter anderem Sportlerinnen und Sportler, die Einnahmen von erheblichem Umfang erzielen. Das sei für die Strafverfolgungsbehörden aufwendig zu ermitteln. "Und sinnvoll ist diese Einschränkung nicht – für die Beeinträchtigung der Integrität des Sports spielt es keine Rolle, wie viel Geld ein Athlet oder eine Athletin verdient", so die Leipziger Rechtswissenschaftlerin. Hoven und Kubiciel schlagen daher vor, den Straftatbestand zu überarbeiten, um das Gesetz stärker auf die Bekämpfung des Selbstdopings im Wettkampfsport auszurichten.
Dies sei auch aus einem anderen Grunde wichtig: "Bislang betrifft der Großteil der Ermittlungsverfahren Bodybuilder, bei denen anabole Steroide oder andere Dopingpräparate aufgefunden werden. Diese nehmen aber typischerweise nicht an Wettkämpfen teil", führen die Experten aus. Dass das Gesetz den Besitz von Dopingmittel kriminalisiere, diene nicht der Integrität sportlicher Wettkämpfe. Vielmehr begründe der Gesetzgeber die Besitzstrafbarkeit mit der Vermutung, dass Personen, die Dopingmittel besitzen, diese auch an andere weitergeben oder damit Handel treiben. "Das mag vorkommen, jedoch haben uns viele Experten gesagt, dass die aufgefundenen Mengen oft so gering seien, dass kaum davon ausgegangenen werden könne, dass der Beschuldigte mit diesen Handel treibe oder sie weitergebe."
Am 17. Dezember wird sich der Sportausschuss des Deutschen Bundestages mit der Thematik befassen.
acr/LTO-Redaktion
Evaluierung des Anti-Doping-Gesetzes: . In: Legal Tribune Online, 03.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43630 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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