Ist die EU-Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen untätig, wenn es um den Schutz von EU-Geld geht? Das zumindest wirft das Europaparlament ihr vor, weshalb der Streit jetzt zum EuGH geht.
Das Europaparlament verklagt die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), weil sie eine neue Regelung zur Ahndung von Rechtsstaatsverstößen in EU-Staaten bislang nicht angewendet hat. Der juristische Dienst des Parlaments habe die Klage am Freitag auf Ersuchen des Parlamentspräsidenten David Sassoli beim EuGH eingereicht, teilte eine Sprecherin mit. Das Vorgehen ist außergewöhnlich: Bislang hat das Europaparlament die EU-Kommission erst einmal vor dem EuGH verklagt.
Man erwarte, dass die EU-Kommission konsequent handele und das umsetze, was Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der jüngsten Plenardebatte zum Thema Rechtsstaat gesagt habe, sagte Sassoli. "Den Worten müssen Taten folgen."
Hintergrund ist der EU-Rechtsstaatsmechanismus, der seit Anfang des Jahres in Kraft ist. Er sieht vor, dass EU-MItgliedstaaten Mittel aus dem gemeinsamen Haushalt gekürzt werden können, wenn ein Missbrauch des Geldes wegen Rechtsstaatsverstößen droht. Die Regierungen in Ungarn und Polen befürchten, dass das neue Verfahren vor allem gegen sie eingesetzt werden soll. Sie haben deshalb Klage gegen die Verordnung beim EuGH eingereicht - das Verfahren läuft noch.
Die EU-Kommission wollte eigentlich erst tätig werden, wenn der EuGH über die Klagen von Ungarn und Polen entschieden hat. So sieht es auch eine Einigung der Staats- und Regierungschefs vor. Mit ihr waren die Regierungen in Budapest und Warschau im vergangenen Jahr dazu gebracht worden, ihre Blockade wichtiger EU-Haushaltsentscheidungen aufzugeben.
Abwarten oder Handeln?
Die geschäftsführende deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich dafür ausgesprochen, auf die EuGH-Entscheidung zu warten. Von der Leyen stellte kürzlich nach einem EU-Gipfel dann klar, dass sie dieser Linie folgen werde. Man wolle eine entsprechende Entscheidung abwarten und mögliche Konsequenzen berücksichtigen, sagte sie.
Das Europaparlament hatte bereits im Juni beschlossen, das Verfahren für die sogenannte Untätigkeitsklage gegen die EU-Kommission zu beginnen und so Druck auf von der Leyens Behörde auszuüben. Mitte Oktober stimmte der zuständige Rechtsausschuss dann dafür, die Klage tatsächlich einzureichen. Wenig später beauftragte Sassoli den juristischen Dienst, die Klage vorzubereiten. Die EU-Kommission betonte stets, die Vorbereitungen für Verfahren nach dem Mechanismus liefen und kein Fall werde verloren gehen.
Kritiker werfen sowohl der ungarischen als auch der polnischen Regierung vor, die Justiz entgegen den EU-Standards zu beeinflussen. Sie sehen deswegen auch eine Gefahr für den EU-Haushalt, weil in der Regel nationale Strafverfolgungsbehörden und Gerichte für die Aufklärung eines möglichen Missbrauchs von EU-Geldern zuständig sind.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Untätigkeitsklage wegen EU-Rechtsstaatsmechanismus: . In: Legal Tribune Online, 29.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46519 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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