EuGH zu Identitätsfesttellungen durch Bundespolizei: Keine Grenz­kon­trollen durch die Hin­tertür

von Maximilian Amos

21.06.2017

2/2: "Systematischer Charakter von Grenzkontrollen"

Insbesondere Intensität, Häufigkeit und Selektivität der Kontrollen seien in einer Norm zu regeln, um sicherzustellen, dass sie nicht den "systematischen Charakter von Grenzkontrollen" hätten, führen die Richter aus. Anderenfalls sei nicht auszuschließen, dass die Ausübung der vom deutschen Recht eingeräumten Befugnisse unter Verstoß gegen Art. 21 Buchst. a des Schengener Grenzkodex' zu Kontrollen führe, welche die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hätten.

Für den Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der Personen in ähnlichen Fällen vertritt, kommt dies wenig überraschend: "Ich hatte die Entscheidung sogar deutlicher erwartet, weil eine vergleichbare Vorschrift in Frankreich härter abgestraft wurde [Az. C-188/10 und C-189/10, Anm. d. Red.]", so Adam im LTO-Gespräch. "Ich gehe davon aus, dass wir die bei uns noch anhängigen Verfahren zu dem Thema mit dieser EuGH-Entscheidung gewonnen haben."

Der Gerichtshof ließ offen, ob möglicherweise weitere nationale Regelungen existieren, welche die eingeräumten Befugnisse ausreichend begrenzen. Dabei kommt insbesondere der von der Bundesregierung im Verfahren angeführte § 15 BPolG in Betracht, der den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit festschreibt.

Ob dieser aber die Befugnisnorm des § 23 ausreichend eindämmt, müsse das Amtsgericht im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Tatsachenfeststellung selbst entscheiden, so die Luxemburger Richter. Dass die Bundesregierung mit ihrer Argumentation vor dem AG noch Erfolg haben könnte, glaubt Rechtsanwalt Adam indes nicht: "Das ist blanker Unsinn. Es braucht jetzt genaue Regelungen, wer wann wen kontrollieren darf".

"Grenzkontrolle" auch am Bahnhof

Gegenstand der zweiten Vorlagefrage war dann § 22 Abs. 1a BPolG, nach dem die Bundespolizei auch in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes Personen kontrollieren darf, um eine illegale Einreise zu unterbinden.

Auch diese Vorschrift genügt den Anforderungen des EuGH nicht. Die Ziele, welche mit ihr verfolgt würden, unterschieden sich nicht von den mit Grenzübertrittskontrollen verfolgten Zielen, so der Gerichtshof. Schließlich diene die Norm ebenso der Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das deutsche Hoheitsgebiet.

Auch insofern erhielt das AG noch einmal den Auftrag, das deutsche Recht auf diese Vorschrift begrenzende Normen zu untersuchen. Anderenfalls käme auch diese Ermächtigung der gesetzlichen Verankerung von Grenzkontrollen gleich, was mit europäischem Recht nicht zu vereinbaren sei.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Maximilian Amos, EuGH zu Identitätsfesttellungen durch Bundespolizei: . In: Legal Tribune Online, 21.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23239 (abgerufen am: 06.11.2024 )

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