EuGH zu Abschiebehaft: Bundesländer brauchen spezielle Haftanstalten

17.07.2014

Abschiebehäftlinge dürfen nicht zusammen mit gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht werden, so der EuGH am Donnerstag auf Vorlagen von BGH und LG München I. Zwar müsse nicht jedes Bundesland eine Sondereinrichtung haben. Im Zweifel müssten Betroffene dann aber in anderen Ländern untergebracht werden. Im Fall einer Vietnamesin entschieden die Richter, dass sogar ihre Einwilligung unberücksichtigt bleiben müsse.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die in deutschen Bundesländern weitgehende Praxis der gemeinschaftlichen Inhaftierung von Abschiebehäftlingen mit gewöhnlichen Strafgefangenen für unionsrechtswidrig erklärt. In zehn Bundesländer gibt es keine speziellen Einrichtungen für illegale Einwanderer, die abgeschoben werden sollen. Diese seien jedoch nach der EU-Rückführungsrichtlinie zwingend nötig, so der EuGH.

Der Bundesgerichtshof (BGH) und das Landgericht (LG) München I hatten Luxemburg drei Verfahren aus Hessen und Bayern vorgelegt. Konkret wollten die deutschen Gerichte wissen, ob Bundesländer die abzuschiebenden Ausländer zusammen mit anderen Gefangenen unterbringen dürfen, wenn es in ihrem Land keine speziellen Einrichtungen gibt. In Bayern hatte eine Vietnamesin einer gemeinsamen Unterbringung sogar zugestimmt.

Im Zweifel in ein anderes Bundesland

Der EuGH schloss sich der Ansicht des Generalanwalts Bot an, der die Praxis der deutschen Bundesländer Ende April gerügt hatte. Behörden müssten grundsätzlich in der Lage sein, die Haft von Menschen, die sich illegal im Land aufhielten, in speziellen Einrichtungen zu vollziehen. Die Rückführungsrichtlinie werde nicht dadurch umgesetzt, dass dies nur in manchen wenigen Bundesländern möglich sei, in vielen aber nicht (Urt. v. 17.07.2014, Az. C-473/13, C-514/13, C-474/13).

Der EuGH verlangt allerdings nicht, dass tatächlich jedes Bundesland über Sondergefängnisse verfügt. Betroffene müssten dann aber in einem anderen Bundesland unterkommen können. An eine übliche Haftanstalt dürfen Abschiebehäftlinge nur verwiesen werden, wenn sie innerhalb der Einrichtung gesondert untergebracht werden können.

Eine Einwilligung - wie die der Vietnamesin in Bayern - dürfe zudem nicht berücksichtigt werden, entschied das Gericht. Das Gebot der Hafttrennung, der Rückführungsrichtlinie lasse keine Ausnahme zu. Damit sollen die Rechte der Ausländer garantiert werden, so die Richter.

Inzwischen auch in Bayern eigene Einrichtungen

In Deutschland ist der Vollzug der Abschiebehaft Ländersache. Nach Angaben von Pro Asyl gibt es in acht Bundesländern spezielle Einrichtungen für die Unterbringung. In Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen würden Abschiebehäftlinge hingegen in normalen Justizvollzugsanstalten untergebracht, Sachsen bringe Betroffene in andere Länder. Bayern verfügt demnach inzwischen über eigene Einrichtungen.

In Abschiebehaft kommen Menschen, die etwa nach illegaler Einreise oder abgelehnten Asylanträgen zur Ausreise verpflichtet sind. Ihre Zahl war zuletzt rückläufig. Nach Angaben der Bundesregierung waren es 2008 rund 8.800, 2010 etwa 7.500 und 2011 gut 6.400 Ausländer. Aktuellere bundesweite Zahlen gibt es laut Pro Asyl nicht.

dpa/una/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH zu Abschiebehaft: . In: Legal Tribune Online, 17.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12593 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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