Behörden dürfen subsidiär Schutzberechtigten nur unter strengen Voraussetzungen Auflagen zu ihrem Wohnsitz erteilen. Der Wunsch, sie gleichmäßig auf die Bundesländer zu verteilen, reicht dafür nach Ansicht des EuGH-Generalanwalts nicht.
Nach deutschem Recht ist eine Aufenthaltserlaubnis, die aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erteilt wird, mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage zu verbinden, wenn der Berechtigte auch Sozialleistunegn bezieht. Mit dieser Regelung soll eine überproportionale finanzielle Belastung einzelner Länder und Kommunen durch ausländische Empfänger von Sozialleistungen verhindert werden. Außerdem sollen so die Entstehung sozialer Brennpunkte mit negativen Auswirkungen auf die Integration von Ausländern vorgebeugt und deren Integration erleichtert werden. EuGH-Generalanwalt Cruz Villalón reichen diese Gründe nicht aus.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte bereits 2008 entschieden, dass anerkannten Flüchtlingen eine Wohnort-Auflage nicht allein zum Zweck einer angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten erteilt werden darf. Das Gericht bezweifelte jedoch, ob diese Regelung auch für Personen mit subsidiärem Schutzstatus gelten kann, also solche, die nicht als Flüchtlinge anerkannt wurden, denen aber bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland Gefahr für Leib und Leben droht. Auf die Klagen zweier Syrer, die in Deutschland subsidiären Schutz genießen, legte das BVerwG die Frage im September 2014 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor (Rechtssachen C-443/14 und C-444/14).
Gleichbehandlung von Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten
Eine solche Beschränkung des Wohnsitzwahlrechts sei nur bei konkreten Sachverhalten aus schwerwiegenden migrations- und integrationspolitischen Gründen zulässig und lasse sich nicht mit dem Wunsch nach gleichmäßiger räumlicher Verteilung der Soziallasten rechtfertigen, so Villalón. Nach der einschlägigen europäischen Regelung (Richtlinie 2011/95/EU) müsse Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten die gleiche Bewegungsfreiheit zugestanden werden, wie anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten. Hierzu zähle auch das Recht auf freie Wahl des Wohnsitzes. Die Ungleichbehandlung von anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten auf Grundlage fiskalischer Interessen sei daher rechtswidrig.
Eine Wohnsitzauflage aus migrations- oder integrationspolitischen Gründen ist nach Ansicht von Villalón zwar grundsätzlich möglich, allerdings sei sie nur dann mit der Richtlinie vereinbar, wenn diese Gründe hinreichend schwerwiegend sind und an konkrete Sachverhalte anknüpfen. Dies müsse auch bei der zeitlichen Dauer und dem räumlichen Geltungsbereich der Wohnsitzauflage berücksichtigt werden. Darüber hinaus hält Villalón die Beschränkung der Regelung ausschließlich auf subsidiär schutzberechtigte Personen für unvereinbar mit dem Unionsrecht. Es entspreche dem ausdrücklichen Willen des Unionsgesetzgebers, den Status beider Kategorien von Schutzberechtigten eneinander weiter anzugleichen.
mbr/LTO-Redaktion
EuGH-Generalanwalt zu Wohnsitzauflage für subsidiär Schutzberechtigte: . In: Legal Tribune Online, 07.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17120 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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