EuGH zu ausländischen Bußgeldbescheiden: Voll­st­re­ckung gegen Fahr­zeug­halter darf nicht ver­wei­gert werden

05.12.2019

Keine Strafe ohne Schuld? In den Niederlanden sieht man das ein wenig lockerer und bittet bei Verkehrsverstößen den Fahrzeughalter zur Kasse. Solange diese Haftungsvermutung widerleglich ist, sieht der EuGH darin kein Problem.

In Deutschland ist allein der Fahrer verantwortlich für begangene Verkehrsverstöße. In der niederländischen Straßenverkehrsordnung (StVO) wird hingegen vermutet, dass der Fahrzeughalter auch der Übeltäter ist. Können die deutschen Behörden deswegen die Anerkennung und Vollstreckung einer gegen den Fahrzeughalter verhängten Geldbuße verweigern? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich mit dieser Frage beschäftigt und entschieden: sofern die Haftungsvermutung widerleglich ist, können sie das nicht (Urt. v. 05.12.2019, Az. C-671-18).

In dem vom EuGH entschiedenen Fall ging es allerdings nicht um einen deutschen, sondern um einen polnischen Fahrzeughalter. Wegen eines Verkehrsdelikts in den Niederlanden wurde eine Geldbuße gegen ihn verhängt, obwohl er das Fahrzeug nach eigenen Angaben zu diesem Zeitpunkt bereits verkauft hatte und nicht gefahren ist. Das niederländische Justizinkassobüro hatte dann bei den polnischen Behörden die Anerkennung und Vollstreckung des Bußgelds beantragt.

Wie auch in Deutschland ist die strafrechtliche Haftung in Polen aber persönlich. Das mit dem Fall befasste polnische Gericht wollte vom EuGH unter anderem wissen, ob die auf Grundlage eines Kennzeichens verhängte Geldbuße mit diesem Grundsatz vereinbar ist.

Droht Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren?

Die Luxemburger Richter entschieden, dass die Vollstreckung der Geldbuße deshalb nicht verweigert werden kann. Da die in der niederländischen StVO festgelegte Haftungsvermutung widerlegt werden könne und es dort auch eine Rechtsgrundlage gebe, die es ermöglicht, die Geldbuße für nichtig erklären zu lassen, stehe die Haftungsvermutung der Vollstreckung nicht entgegen, so das Gericht.

"Auch nach dieser Entscheidung kann sich der deutsche Fahrzeug-Halter erst einmal bei einem Bußgeld aus dem Ausland zurücklehnen", so Gerhard Hillebrand, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Vorsitzender der AG Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein gegenüber LTO. "Wenn er nicht gefahren ist, kann er sich auch weiterhin exkulpieren. Er muss dann aber selbst aktiv werden, dann greift das Vollstreckungshindernis nach § 87b Abs. 3 Nr. 9 IRG (Anm. d. Red.: Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen)." Danach dürfe die deutsche Vollstreckungsbehörde, das Bundesamt der Justiz, eine Bewilligung der Vollstreckung verweigern, wenn der Betroffene im Ausland erfolglos seine mangelnde Fahrereigenschaft eingewandt hat. "Was wegen dieser Rechtslage in Deutschland übrigens eines Tages drohen könnte, ist ein Vertragsverletzungsverfahren. Das könnte zum Beispiel die Niederlande einleiten" so Hillebrand weiter.

Der Düsseldorfer Verkehrsrechtsexperte, Rechtsanwalt Carsten Staub, wies gegenüber LTO allerdings darauf hin, dass ein Autofahrer nie vergessen dürfte, dass wenn er sich im Ausland bewegt, dass er sich dort dem Rechtssystem des Gastlandes unterwirft. "Natürlich bleibt der Bußgeldbescheid gegen den Halter im Gastland, z. B. wenn man dort wieder beruflich oder als Urlauber unterwegs ist, wirksam", so Staub. "In einigen Ländern kann das Fahrzeug beschlagnahmt und verwertet werden, wenn man das Bußgeld nicht bezahlt", so Staub weiter. Bei einer Polizeikontrolle helfe dann nur noch schnelles Zahlen.

acr/hs/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH zu ausländischen Bußgeldbescheiden: . In: Legal Tribune Online, 05.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39083 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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