Schlussanträge des Generalanwalts am EuGH: Schraube auf dem Roll­feld ist ein außer­ge­wöhn­li­cher Umstand

22.11.2018

Eine Schraube, die auf der Start- oder Landebahn liegt und das Flugzeug beschädigt, kann einen außerwöhnlichen Umstand darstellen, so Generalanwalt Tanchev. Für Flugverspätungen gibt es dann keine Entschädigung.

Wird ein Flugzeugreifen beschädigt, weil eine Schraube auf der Start- oder Landebahn liegt, stellt das einen außergewöhnlichen Umstand dar, der Fluggesellschaften dazu berechtigt, Entschädigungszahlungen wegen Flugverspätungen zu verweigern. Zu diesem Ergebnis kam der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Tanchev am Donnerstag in seinen Schlussanträgen (Az. C-501/17).

Geklagt hatte ein Passagier, der wegen einer erheblichen Verspätung eine Ausgleichszahlung von der Fluggesellschaft Germanwings verlangte. Die europäische Fluggastrechteverordnung sieht in solchen Fällen grundsätzlich vor, die Passagiere für die Unannehmlichkeiten zu entschädigen. Der Anspruch besteht jedoch dann nicht, wenn die Fluggesellschaft geltend machen kann, die Verspätung sei auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückzuführen. Das Landgericht Köln, welches den Streit entscheiden muss, legte dem EuGH daher die Frage vor, ob auch eine Schraube, die auf dem Rollfeld liegt und den Flugzeugreifen beschädigt, einen solchen Umstand darstellen kann.

Das bejahte Generalanwalt Tanchev. Für technische Probleme gelte das Regel-Außnahme-Prinzip: In der Regel fallen technische Mängel in die Betriebsgefahr des Luftfahrtunternehmens, weil sie Teil der normalen Ausübung seiner Tätigkeit sind; lediglich im Ausnahmefall können sie einen außergewöhnlichen Umstand darstellen. Nämlich dann, wenn sie nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens und von diesem nicht beherrschbar sind.

Generalanwalt: Saubermachen muss nicht die Fluggesellschaft

Tanchev verweist in seinen Schlussanträgen auf die umfangreiche Rechtsprechung des EuGH, die bereits zu der Frage nach den außergewöhnlichen Umständen ergangen ist. So fällt nach Ansicht des EuGH ein Vogelschlag unter den Begriff des außergewöhnlichen Umstandes, die Kollision des Flugzeuges mit einem Treppenfahrzeug hingegen nicht. Tanchev sieht im vorliegenden Fall eine Vergleichbarkeit zum Vogelschlag-Fall und bejaht daher das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes. Denn die Schraube auf dem Rollfeld gehöre weder zum Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit noch sei die Gefahr, die von der Schraube ausging, in irgendeiner Weise von der Fluggesellschaft beherrschbar gewesen.

Denn für die Instandhaltung und Säuberung der Start- und Landebahnen sei nur der Flughafenbetreiber zuständig, nicht aber die Fluggesellschaft. "Fremdkörper" auf dem Rolfeld stellen daher grundsätzlich von der Fluggeselschaft nicht beherrschbare Gefahren dar, so Tanchev.

Der Generalanwalt betonte aber, dass nicht jeder außergewöhnliche Umstand die Fluggesellschaft automatisch berechtigt, eine Ausgleichszahlung zu verweigern. Denn erforderlich sei als dritte Voraussetzung immer, dass das Flugunternehmen nachweisen muss, alle zumutbaren Maßnahmen getroffen zu haben, um den außergewöhnlichen Umstand zu vermeiden. Diese Beurteilung obliege aber dem nationalen Gericht, so Tanchev.

tik/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Schlussanträge des Generalanwalts am EuGH: . In: Legal Tribune Online, 22.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32263 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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