EuGH zum Datenschutz bei Zeugen Jehovas: Erst EU-Recht, dann der liebe Gott

10.07.2018

Notizen, die sich die Zeugen Jehovas bei ihren Hausbesuchen über die angetroffenen Personen machen, unterfallen dem europäischen Datenschutzrecht. Auch die privaten Notizbücher der "Verkündiger" können Dateien sein, entschied der EuGH.

Wenn sich die Zeugen Jehovas bei ihren Hausbesuchen Notizen zu den angetroffenen Personen machen, muss die Verarbeitung der Daten mit den unionsrechtlichen Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten im Einklang stehen. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Fall aus Finnland entschieden, bei dem die finnische Datenschutzbehörde der Religionsgemeinschaft der Erhebung und Verarbeitung der Daten untersagt hatte (Urt. v. 10.07.2018, Az. C-25/17). Das Urteil bezieht sich in dem Fall aber explizit auf die bis zum Frühjahr geltenden alten EU-Datenschutzregeln. Seit 25. Mai hat die EU neue, noch strengere Datenschutzregeln, mit denen sich die Luxemburger Richter jedoch nicht befassten.

Die "Verkündiger" der Zeugen Jehovas hatten sich bei ihrer Tür-zu-Tür Evangelisierung Notizen über die angetroffenen Personen gemacht, etwa über ihre religiöse Überzeugung oder ihre Familienverhältnisse. Die Notizen dienen den Verkündigern dabei als Gedächtnisstütze für spätere Besuche, ohne dass die Betroffenen darüber informiert werden oder ihre Einwilligung erteilen.

Laut den Zeugen Jehovas werden die Notizen von den Mitgliedern aber weder an die Gemeinschaft weitergeleitet noch sonst irgendwo an zentraler Stelle gespeichert. Die Gemeinschaft selbst führe lediglich eine Liste derjenigen Personen, die darum gebeten hätten, keine weiteren Besuche zu erhalten. Es handele sich bei den Notizen bloß um persönliche Notizen, für die die Gemeinschaft datenschutzrechtlich nicht verantwortlich sei.

Gespeichert, wenn leicht wiederauffindbar

Der finnische oberste Verwaltungsgerichtshof legte den Fall dem EuGH vor und wollte wissen, ob die Notizen der Datenschutzrichtline 95/46/EG unterfallen. Die Luxemburger Richter bejahten die Frage nun – die Verkündigung der Zeugen Jehovas falle nicht unter eine in der Datenschutzrichtlinie vorgesehene Ausnahme und sei auch auf die handschriftlichen Notizen anwendbar.

Die Verkündigung sei insbesondere keine persönliche oder familiäre Tätigkeit, für die die Datenschutzregeln nicht gelten würden. Obwohl eine Verarbeitung der handschriftlichen Daten nicht automatisiert erfolgt und nicht zentral gespeichert werden, können sie laut EuGH dennoch unter den Begriff "Datei" fallen. Es genüge, wenn die Daten später leicht wiederauffindbar seien, ein spezielle Verzeichnis oder die Einsortierung in ein Ordnungssystem sei dafür nicht erforderlich. Ob dies der Fall ist müsse das finnische Gericht aber noch klären.

Schließlich können sowohl die Verkündiger als auch die Gemeinschaft selbst als Verantwortliche im Sinne der Richtlinie angesehen werden. Die Verantwortlichkeit setze weder voraus, dass die Gemeinschaft überhaupt Anweisungen zur Datenverarbeitung gegeben hat, noch dass sie Zugang zu den Daten hat. Es reiche aus, wenn die Gemeinschaft ihre Mitglieder dazu ermuntert, im Rahmen der Verkündigungen Daten zu verarbeiten. Auch hierzu müsse das finnische Gericht aber noch Feststellungen treffen.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH zum Datenschutz bei Zeugen Jehovas: . In: Legal Tribune Online, 10.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29659 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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