Juristisch gesehen ist der Tod auch nur eine endgültige Krankheit. Deshalb muss eine Fluggesellschaft Ausgleichszahlungen an die Passagiere zahlen, wenn kurz vor dem Flug der Kopilot unerwartet verstirbt. Dies hat der EuGH entschieden.
Fällt ein Flug wegen des unerwarteten Todes des Kopiloten aus, muss die Fluggesellschaft den Passagieren trotzdem Ausgleichszahlungen leisten. Ein solcher Tod sei zwar tragisch, stelle aber keinen "außergewöhnlichen Umstand" dar, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) Am Donnerstag entschied. Vielmehr sei der Tod wie jede Krankheit eines unverzichtbaren Besatzungsmitglieds Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit einer Fluggesellschaft (Urt. v. 11.05.2023, Az. C-156/22 bis C-158/22).
Im Juli 2019 fiel ein Flug von Stuttgart nach Lissabon aus, weil der Kopilot zwei Stunden vor Abflug tot in seinem Hotelbett aufgefunden wurde. Die gesamte Crew meldete sich wegen des Schocks fluguntauglich. Statt wie eigentlich geplant um 06:05 Uhr wurden die Passagiere erst mit einem Ersatzflug um 16:40 Uhr nach Lissabon befördert.
Die Fluggesellschaft weigerte sich daraufhin, den Passagieren eine Ausgleichzahlung nach der Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004 zu zahlen. Bei dem Tod des Kopiloten handele es sich um einen außergewöhnlichen Umstand, der die Fluggesellschaft von der Ausgleichpflicht befreie, argumentierte das Unternehmen. Das mit dem Fall befasste Landgericht (LG) Stuttgart hatte die Frage, ob ein außergewöhnlicher Umstand vorlag oder nicht, dem EuGH vorgelegt.
Der EuGH entschied nun, dass die Fluggesellschaft zahlen muss. Der Umgang mit einer unerwarteten Abwesenheit eines unverzichtbaren Crewmitglieds sei untrennbar mit der Frage der Einsatzplanung und Arbeitszeiten der Beschäftigten verbunden und stelle deshalb keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Laut EuGH unterscheide sich die Situation eines unerwarteten Todes, so tragisch und endgültig sie auch sei, in juristischer Hinsicht nicht von einer unerwarteten Krankheit. Es komme nur auf die Abwesenheit als solches und nicht auf die medizinische Ursache an. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Kopilot die regelmäßigen medizinischen Untersuchungen ohne Einschränkungen bestanden habe. Jede Person könne jederzeit unerwartet erkranken oder versterben, so das Gericht.
acr/LTO-Redaktion
EuGH zu Fluggastrechten: . In: Legal Tribune Online, 11.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51748 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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