Ein Bremer Uniprofessor scheiterte daran, seine eigene Uni vor dem EuG zu vertreten. Er sei nicht unabhängig genug. Der EuGH sah das nun anders – schließlich habe diese Tätigkeit nichts mit seinen eigentlichen Uni-Aufgaben zu tun.
Rechtsprofessor:innen dürfen ihre eigene Hochschule vor den Gerichten der Europäischen Union vertreten. Sie sind unabhängig genug, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag. Das gelte auch dann, wenn der Hochschullehrende Teil des Projekts ist, für das er seine Uni vor den Unionsgerichten verteidigen möchte (Urt. v. 14.07.2022, Rs. C-110/21 P).
Der EuGH hat sich mit einem Fall aus Bremen beschäftigt. Die dortige Universität ist Koordinatorin eines Forschungskonsortiums, das mehrere europäische Unis umfasst. Es betreibt rechtsvergleichende interdisziplinäre Forschung im Bereich des Wohnungsrechts und der Wohnungspolitik in der gesamten Union. Dafür wollte das Konsortium eine Finanzierung der Union erhalten und die Uni Bremen reichte bei der entsprechenden Agentur einen Projektvorschlag ein – allerdings erfolglos. Gegen die Ablehnung des Vorschlags erhob die Uni dann Klage beim Gericht der Europäischen Union (EuG).
Dem EuG zufolge war die Klage aber schon offensichtlich unzulässig und wies sie ab. Die Klageschrift sei nämlich von einem Hochschullehrer unterzeichnet worden, der an der Uni nicht nur lehre, sondern auch zum Koordinator und Teamleiter des Projekts bestimmt sei, für das die Förderung beantragt wurde. Daher erfülle er nicht die Anforderungen an die anwaltliche Unabhängigkeit, die auch für Hochschullehrer gelte.
Das wollte die Uni Bremen nicht auf sich beruhen lassen und zog in die nächste Instanz vor den EuGH. Dieser hob den Unzulässigkeitsbeschluss des EuG nun auf.
Hochschullehrer nicht weisungsgebunden
Die Luxemburger Richter:innen sind der Ansicht, dass das vorherrschende Kriterium für die Unabhängigkeit darin bestehe, die Interessen der Mandant:innen zu schützen und zu verteidigen. Das Kriterium müssten sowohl Hochschullehrende als auch Anwält:innen erfüllen. Unter anderem dürfe es keine Verbindungen geben, die Anwält:innen darin beeinträchtigen könnten, die Interessen ihrer Mandant:innen unter Beachtung der Gesetze und Berufsregeln bestmöglich zu verteidigen.
Allein eine vertragliche Verbindung oder ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zwischen Hochschullehrenden und ihrer Uni sei kein Grund anzunehmen, dass diese Voraussetzung nicht vorliegt. Außerdem gehöre die Vertretung vor Gericht nicht zu den Aufgaben, die der Hochschullehrer in Bremen an der Uni als Lehrkraft oder Forschender wahrnimmt. Sie gehöre daher nicht zu seinen universitären Tätigkeiten und daher sei er auch nicht weisungsgebunden.
Durch die Aufgaben des Bremers in dem streitgegenständlichen Forschungsprojekt hätten er und die Uni zwar gemeinsame Interessen – der Hochschullehrer könne seine Vertretung aber dennoch ordnungsgemäß wahrnehmen. Es sei nichts vorgetragen worden, was dem entgegenstehen könnte. Der Fall geht deshalb nun nochmal an das EuG zurück.
pdi/LTO-Redaktion
EuGH zur anwaltlichen Unabhängigkeit vor EU-Gerichten: . In: Legal Tribune Online, 14.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49050 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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