EuGH zur Zeitberechnung bei mehreren Arbeitsverträgen: Zu viel ist zu viel

von Tanja Podolski

17.03.2021

Wer mehrere Arbeitsverträge mit einem Arbeitgeber hat, darf die täglich erlaubten Stunden bei seiner Tätigkeit insgesamt nicht überschreiten. Das hat der EuGH klargestellt. Aus deutscher Sicht ist die Entscheidung keine Überraschung.

Beschäftigte müssen täglich mindestens elf Stunden Ruhe von der Arbeit haben. Das gilt auch, wenn eine Person mit demselben Arbeitgeber mehrere Arbeitsverträge geschlossen hat - und zwar für diese Verträge zusammengenommen und nicht für jeden dieser Verträge allein. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt (Urt. v. 17.03.2021, Az. C-585/19).

Der zugrunde liegende Fall spielt in Rumänien. Eine Akademie hatte für ein Forschungsprojekt Mitarbeitende auf mehreren Verträgen beschäftigt. Diese hatten ihre Arbeitsstunden zusammengerechnet und so die Obergrenze von 13 Stunden überschritten, die von der das Projekt verwaltenden Behörde vorgegeben war.

Arbeits- und Ruhezeiten seien allerdings in der Arbeitszeitrichtlinie legal definiert, stellte der EuGH klar. Arbeitszeit ist in Art. 2 Nr. 1 und Art. 3 der Arbeitszeitrichtlinie (RiLi) "jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt". Ruhezeit hingegen ist "jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit". Eine Zwischenkategorie gebe es nicht, so der EuGH.

Arbeitszeit ist keine Ruhezeit

Zudem sehe die RiLi vor, dass Beschäftigte ein Recht auf Höchstarbeitszeit und auf tägliche Ruhezeiten haben, die im Unionsrecht und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausdrücklich verbürgt seien, betonte der EuGH. Diese Ruhezeiten könnten nicht mehr überprüft werden, wenn jeder Vertrag für sich allein betrachtet wird – denn sie könnten für den einen Vertrag Arbeitszeit bedeuten und gleichzeitig in die erforderlichen Ruhezeiten des anderen fallen. "Da jedoch ein und derselbe Zeitraum nicht gleichzeitig als Arbeitszeit und als Ruhezeit eingestuft werden kann, sind die Arbeitsverträge, die ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber geschlossen hat, folglich zusammen zu prüfen", entschied der EuGH. Entsprechend gilt nach dieser Rechtsprechung die Mindestruhezeit für beide Verträge zusammengenommen.

In Deutschland ist diese Frage in § 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) normiert für den Fall, dass Beschäftigte bei mehreren Arbeitgebern tätig sind. Dann sind die Arbeitszeiten zusammenzurechnen. So explizit steht es für die Tätigkeit für einen Arbeitgeber nicht im Gesetz. Doch die Regelung zur Höchstarbeitszeit von acht Stunden steht in § 3 ArbZG, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das ein Verbotsgesetz. Bei Verstößen ist der zuletzt geschlossene Arbeitsvertrag daher nach § 134 Bürgerliches Gesetzbuch nichtig.

"Die Entscheidung des EuGH ist für Deutschland insofern überhaupt nicht überraschend", sagt Professor Dr. Matthias Jacobs, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Zivilprozessrecht an der Bucerius Law School in Hamburg. "Was bei mehreren Arbeitgebern gilt, muss allein schon im Zuge des Erst-Recht-Schlusses bei mehreren Verträgen mit einem Arbeitgeber gelten."

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, EuGH zur Zeitberechnung bei mehreren Arbeitsverträgen: . In: Legal Tribune Online, 17.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44521 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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