Steuerberatungsgesellschaften, die in Deutschland tätig werden, müssen bislang von einem geprüften Steuerberater geführt werden. Das verstößt gegen die Dienstleistungsfreiheit, sagt jetzt der EuGH. Ein Einfallstor für Missbrauch?
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat entschieden, dass die deutsche Regelung, nach der in Deutschland tätige Steuerberatungsgesellschaften aus einem EU-Mitgliedstaat von einem geprüften Steuerberater geführt werden müssen, gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt. Auch Qualifikationen, die ein Steuerberater oder eine Gesellschaft in anderen Mitgliedstaaten erworben hätten, müssten in Deutschland ihrem Wert entsprechend anerkannt und angemessen berücksichtigt werden (Urt. v. 17.12.2015, Az. C-342/14).
Bislang müssen Steuerberatungsgesellschaften, die ihren Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder in der Schweiz haben und in Deutschland tätig werden wollen, von zugelassenen Steuerberatern verantwortlich geführt werden, um als solche anerkannt zu werden, §§ 5 und 32 Steuerberatungsgesetz. Hat der Niederlassungsstaat der ausländischen Gesellschaft den Beruf des Steuerberaters nicht reglementiert, darf das Unternehmen nur dann in Deutschland tätig werden, wenn seine Leitungsorgane auch in Deutschland als Steuerberater bestellt wurden, also eine deutsche Steuerberaterprüfung abgelegt haben oder von dieser befreit wurden.
Infolge dieser Regelung hatte das Finanzamt Hannover-Nord sich geweigert, eine britische Gesellschaft mit Niederlassungen in Belgien und den Niederlanden als Bevollmächtigte einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft in einem Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren anzuerkennen. Sie sei in Deutschland nicht als solche anerkannt. Ihr Geschäftsführer, dessen Bestellung als Steuerberater in Deutschland widerrufen wurde, wohnt in Belgien, arbeitet aber teilweise von Deutschland aus und berät in Deutschland ansässige Mandanten zumindest über die Grenze hinweg. Gegen die Weigerung des Finanzamtes hatte die Firma bis vor den Bundesfinanzhof (BFH) geklagt, der sich im Hinblick auf die Vereinbarkeit der deutschen Regelung mit dem Unionsrecht an den EuGH gewandt hatte.
Deutsche Regelung verstößt gegen Dienstleistungsfreiheit
Der Gerichtshof gab der britischen Gesellschaft nun Recht: Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV), welcher den freien Dienstleistungsverkehr regelt, stehe der deutschen Norm entgegen, so die Luxemburger Richter. Die EU-Grundfreiheit lasse es nicht zu, dass ein Mitgliedstaat die Dienstleistungsfreiheit einer Steuerberatungsgesellschaft, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats ordnungsgemäß gegründet wurde, in dieser Weise beschränkt. Dass die Tätigkeit der Steuerberatung im Gründungsland nicht reglementiert sei, ändere daran nichts. In anderen Mitgliedstaaten erworbene Qualifikationen müssten ihrem Wert entsprechend anerkannt und angemessen berücksichtigt werden.
Steuerhinterziehung zu verhindern und die Verbraucher z.B. vor den Konsequenzen fehlerhafter Beratung zu schützen, seien zwar Ziele des Gemeinwohls, mit denen sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lasse. Dennoch obliege es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs den nationalen Behörden, insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass die in anderen Mitgliedstaaten erworbene Qualifikation ihrem Wert entsprechend anerkannt und angemessen berücksichtigt werde.
Schon der Generalanwalt hat in seinen Schlussanträgen dafür plädiert, die deutsche Regelung für unvereinbar mit der Dienstleistungsfreiheit zu erklären. Sie sei unverhältnismäßig.
In einem Gastbeitrag bei LTO hatte Ludmilla Maurer, Rechtsanwältin und Steuerberaterin bei Baker & McKenzie, daraufhin befürchtet, dass eine solche Entscheidung der Umgehung der deutschen Steuerberaterprüfung Tür und Tor öffnen würde, und man nun die strengen Anforderungen des deutschen Rechts durch Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft umgehen könnte. Eine Steuerberatungsgesellschaft erhält per Gesetz immer eine umfassende Befugnis zur Steuerberatung, welche identisch ist mit der eines geprüften Steuerberaters. Daher sei es denklogisch, dass das deutsche Gesetz hier dieselben Anforderungen an die leitenden Personen der Gesellschaft stelle. Aus Gründen des Verbraucherschutzes sei diese Norm durchaus erforderlich.
ahe/LTO-Redaktion
EuGH zu ausländischen Steuerberatergesellschaften: . In: Legal Tribune Online, 17.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17896 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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