EuGH-Generalanwalt zu Aufenthaltsberechtigten: Sprach- und Wissenstests für Ausländer unzulässig

28.01.2015

In den Niederlanden müssen Ausländer an Tests ihrer Sprach- und gesellschaftlichen Kenntnisse teilnehmen - auch, wenn sie seit Jahren in dem Land leben und über eine Aufenthaltsberechtigung verfügen. Weigern sie sich, liegt darin eine Ordnungswidrigkeit. Der Generalanwalt am EuGH Maciej Szpunar hat diese Regelung in seinen Schlussanträgen als unionsrechtswidrig bezeichnet.

Die Niederlande sehen für alle Ausländer die Pflicht vor, eine Prüfung über ihre Sprachkenntnisse sowie Grundkenntnisse über die Gesellschaft abzulegen. Wer nicht fristgerecht teilnimmt, verhält sich ordnungswidrig, und muss mit einer Geldbuße rechnen.

Grundsätzlich können Mitgliedstaaten nach der Richtlinie des Rates 2003/109/EG (vom 25. November 2003) von Drittstaatsangehörigen zwar verlangen, dass sie die Integrationsanforderungen gemäß dem nationalen Recht erfüllen. Die Richtlinie sagt aber nichts darüber, ob und in welchem Umfang einer Person eine solche Integrationspflicht noch auferlegt werden kann, wenn sie schon die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat. Diesen Status kann beantragen, wer sich zuvor fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig im Hoheitsgebiet des Staates aufgehalten hat.

Eine Amerikanerin und eine Neuseeländerin waren der Ansicht, dass sie als langfristig Aufenthaltsberechtigte nicht der Integrationspflicht unterlägen. Daher fochten sie die Entscheidungen der Behörden an, mit denen ihnen der Test auferlegt werden sollte.

Der Centrale Raad van Beroepde, bei dem die Streitigkeiten im Rechtsmittelverfahren anhängig sind, hat dem Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt. Das oberste Verwaltungsgericht der Niederlande möchte wissen, ob die bußgeldbewehrte Integrationspflicht mit der Richtlinie 2003/109 vereinbar ist.

Generalanwalt: Integration ja, Pflicht nein

In seinen am Mittwoch verlesenen Schlussanträgen schlägt Generalanwalt Maciej Szpunar dem Gerichtshof vor, zu entscheiden, dass die Richtlinie Integrationsmaßnahmen für langfristig Aufenthaltsberechtigte zwar nicht untersagt (Rechtssache C-579/13). Diese Maßnahmen dürften jedoch ausschließlich die Erleichterung der Integration der betreffenden Person bezwecken und keine Voraussetzung für die Aufrechterhaltung dieser Rechtsstellung oder die Ausübung der daraus erwachsenden Rechte sein. Insbesondere dürften die Maßnahmen keine Pflicht zur Ablegung einer Prüfung über die Integration in die Gesellschaft einschließen.

Szpunar weist darauf hin, dass die Richtlinie mit der Rechtsstellung der langfristig Aufenthaltsberechtigten den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der Union fördern soll. Integrationsmittel seien dabei grundsätzlich erlaubt und widersprächen den Zielen der Richtlinie nicht, solange sie ausschließlich dazu beitragen, den langfristig Aufenthaltsberechtigten in das Gesellschafts- und Wirtschaftsleben im Aufenthaltsstaat einzubinden.

Grundgedanke der Integration in Frage

Demgegenüber sei es mit der Richtlinie unvereinbar, die Teilnahme an Integrationsmaßnahmen zur Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Aufenthaltsberechtigung oder die Ausübung der damit verbundenen Rechte zu machen. Dies würde dem Ziel der Richtlinie entgegenstehen.

Denn eine obligatorische Prüfung der Sprachkenntnisse oder der Kenntnisse über die Gesellschaft trüge nicht zur Erleichterung der Eingliederung der betreffenden Person in die Gesellschaft bei. Vielmehr werde der Grundgedanke der Integrationsmaßnahmen in Frage gestellt. Integrationsmaßnahmen dürften keine Qualifikationsanforderungen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt in dem betreffenden Staat aufstellen. Außerdem würde es die praktische Wirksamkeit der Richtlinie beeinträchtigen, denn den Ausländern würde die Ausübung ihrer Rechte übermäßig erschwert.

Zudem seien die nationalen Vorschriften unverhältnismäßig. Eine Person, die seit langer Zeit in dem betreffenden Staat lebt, sei mit ihm zweifellos über ein Netz von Integrationsverbindungen im Zusammenhang mit der Familie, der ausgeübten Arbeit, dem Nachbarschaftsleben oder einem Hobby verbunden. Eine Integrationsmaßnahme müsse eine individuelle Bewertung dieser tatsächlichen Umstände zulassen. Ebenso unverhältnismäßig sei die vorgesehene Sanktion in Gestalt einer Geldbuße.

ahe/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH-Generalanwalt zu Aufenthaltsberechtigten: . In: Legal Tribune Online, 28.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14510 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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