Zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit: EU-Kom­mis­sion droht Polen mit Entzug von Stimm­recht

21.12.2016

Die EU-Kommission erhöht den Druck auf die polnische Regierung. Man fordert erneut die volle Unabhängigkeit des polnischen Verfassungsgerichts, will sonst das Stimmrecht entziehen. In Warschau winkt man gleich ab.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Kommission der Europäischen Union (EU) auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Maßstäbe in Polen dringt. Doch der Ton wird schärfer und der Druck erhöht. Am Mittwoch setzte man der Regierung eine neuerliche Frist von zwei Monaten, um die geforderten Änderungen vorzunehmen.Bisherige Nachbesserungen seien ungenügend, sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans. Polen sieht dagegen keinen Handlungsbedarf. "Das Problem gehört der Vergangenheit an", sagte Regierungssprecher Rafal Bochenek.

Timmermans droht mit weiteren Schritten, falls es nach Ablauf der Frist keine Lösung gebe. Als äußerste Sanktion könnte am Ende des Verfahrens der Entzug des EU-Stimmrechts stehen. Dafür wäre allerdings ein Konsens mit dem EU-Parlament und den Mitgliedstaaten nötig, der im Moment nicht erkennbar ist. Ob die beiden anderen Institutionen mitziehen, "werden wir überprüfen müssen in den nächsten Monaten", sagte Timmermans.

Seit 2015 strengt die polnische Regierung unter der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verschiedene Reformen von Justiz und Medien an, die in Polen und auch international viel Protest auslösten. Erst am Wochenende demonstrierten wieder tausende Polen gegen die Veränderungen in ihrem Staat. Unter anderem wurde die Gesetzeslage um das Verfassungsgericht geändert, aus Brüsseler Sicht untergrub man damit dessen Kontrollfunktion.

Nachbesserungen blieben unzureichend

Bereits im Januar hatte die Kommission daher ein sogenanntes Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet. Dieser erst 2014 geschaffene Mechanismus dient der Kontrolle der Einhaltung von Mindeststandards der Rechtsstaatlichkeit. Ende Juli setzte man dann eine erstmalige Frist von drei Monaten, um den verlangten Änderungen zu entsprechen. 

Tatsächlich handelte die Regierung auch, doch das Ergebnis ließ offenbar zu wünschen übrig, wie Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans erklärte. Es bestünden weiterhin Bedenken gegen das reformierte Justizsystem um das Verfassungsgericht, teils habe es sogar weitere unerfreuliche Entwicklungen gegeben.

Wichtige Vorschläge der Kommission zur Nachbesserung der Gesetze soll die polnische Regierung zudem nicht beachtet haben. Dies betrifft im Wesentlichen die Bestimmung der Richter, die Veröffentlichung der Urteile und das Gesetz über die Funktionsweise des Gerichts. Regierungssprecher Bochonek sagte hingegen in Warschau, "dass Polen kein Problem mehr mit dem Verfassungsgericht hat". Der Streit um das Gericht sei durch die Reformen und die Wahl der neuen Vorsitzenden Richterin Julia Przylebska gelöst worden. Auch der durch Stimmen der PiS am heutigen Mittwoch in das Tribunal gewählten Richterin wird von Kritikern allerdings zu große Regierungsnähe vorgeworfen.

Nun hat Warschau zwei Monate, um den Wünschen der Kommission nachzukommen. Geschehe dies nicht, sei ein Verfahren nach Art. 7 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) nicht ausgeschlossen, so Timmermans. 

Die Vorschrift sieht vor, dass nach der Feststellung, dass wesentliche Grundsätze des Vertrages "schwerwiegend und anhaltend" verletzt würden, bestimmte Vertragsrechte des betroffenen Mitgliedsstaats ausgesetzt werden können. In letzter Konsequenz kann dies den Verlust wichtiger Stimmrechte bedeuten.

dpa/mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit: . In: Legal Tribune Online, 21.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21548 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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