Wer eine Geldstrafe nicht bezahlen kann, muss oft in Gefängnis, ein Tagessatz entspricht dabei bislang einem Tag Haft. Diese Ersatzfreiheitsstrafe sollte zum Oktober halbiert werden, doch daraus wird vorerst nichts.
Der Bundestag hatte Ende Juni eigentlich beschlossen, die Ersatzfreiheitsstrafe zum 1. Oktober zu halbieren. Daraus wird jedoch vorerst nichts: Das Inkrafttreten der Halbierung wird um vier Monate verschoben, der Bundestag hat das schon beschlossene Gesetz am 16. August entsprechend abgeändert, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe nun berichtete. Der Grund: Die für die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe notwendige Umstellung der Computersysteme in den Ländern dauert zu lange.
Das mildere Mittel gegenüber der Freiheitsstrafe ist die Geldstrafe, gebildet aus einer Zahl von Tagessätzen, welche die Schwere der Schuld abbildet, und einem pro Tag geschuldeten Geldbetrag, der Tagessatzhöhe. Diese orientiert sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters (§ 40 Abs. 2 Strafgesetzbuch, StGB). Wird eine Person mit geringem Einkommen wegen einer nicht so schwerwiegenden Straftat verurteilt, lautet der Tenor etwa auf Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je zehn Euro. Bei Personen ohne Einkommen könnte das Gericht die Höhe des einzelnen Tagessatzes sogar auf einen Euro minimieren (§ 40 Abs. 2 S. 3 StGB).
Hat der Verurteilte aber so wenig Geld, dass selbst die Begleichung dieser 30 Euro nicht möglich ist, droht Gefängnis: "An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe", heißt es in § 43 S. 1 StGB. Da das Urteil keine Festlegung der Freiheitsstrafe enthält, muss die in der Geldstrafe enthaltene Tagessatzanzahl in eine Haftzeit umgerechnet werden. Die Umrechnungsquote steht ebenfalls im Gesetz: "Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe", so § 43 S. 2 StGB.
Ebendiese Quote wollte der Gesetzgeber ändern: Künftig sollen zwei Tagessätze einem Tag Freiheitsstrafe entsprechen, die Ersatzfreiheitsstrafe damit halbiert werden. Der Grund: Die Gefängnisse sind voll von Menschen, die wegen Bagatelldelikten wie U-Bahn-Fahren ohne Fahrschein verurteilt worden sind, aber die verhängte Geldstrafe nicht bezahlen können.
Software "web.sta" muss erst umprogrammiert und getestet werden
Daran ändert sich zunächst aber nichts. Erst zum 1. Februar 2024 tritt die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe in Kraft, nachdem der Bundestag das schon beschlossene Gesetz kurzfristig noch einmal abgeändert hat. Zur Begründung der viermonatigen Verzögerung wird auf notwendige "Anpassungen im Bereich der IT" verwiesen, die "insbesondere Module zur Strafzeitberechnung im Fachverfahren web.sta" beträfen. Web.sta werde von einem Verbund aus den neun Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen genutzt.
Die Umstellung der Umrechnungsquote für die Ersatzfreiheitsstrafe erfordere einigen Aufwand: "Die erforderlichen Anpassungen müssten danach zunächst im Länderverbund fachlich abgestimmt und im Anschluss durch den externen Dienstleister programmiert werden. Zugleich seien Anpassungen im zugehörigen Vollstreckungsschreibwerk vorzunehmen. Nach der Umsetzung durch den Dienstleister müssten diese getestet werden, bevor diese auch in der Praxis im Echtbetrieb zur Verfügung stehen", heißt es in der Begründung des Änderungsgesetzes. Zudem benötigten die Länder mehr Zeit für notwendige Folgeanpassungen an ihren Rechtsverordnungen.
Um ein Quartal verschoben wird nur der Beginn des Inkrafttretens der halbierten Ersatzfreiheitsstrafe. Andere in dem im Juni beschlossenen Gesetz vorgesehenen Reformen, etwa zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB), sind von der viermonatigen Suspendierung nicht betroffen.
Neben der Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe plant Justizminister Marco Buschmann (FDP) auch eine Herabstufung des Schwarzfahrens zur Ordnungswidrigkeit. Die Linke fordert weitergehend, das Fahren ohne Fahrausweis vollständig sanktionslos zu stellen. Weiterhin wird diskutiert, die Ersatzfreiheitsstrafe abzuschaffen. Diesen Vorschlag bewertete im März Thomas Fischer auf LTO.
mk/LTO-Redaktion
IT-Umstellung nicht schnell genug: . In: Legal Tribune Online, 28.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52578 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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