Bundestag und Bundesrat haben sich in Sachen Whistleblower-Gesetz auf einen Kompromiss geeinigt, der Weg für das Gesetz ist nun geebnet. Die Parteien scheinen zufrieden, am Donnerstag könnte es im Gesetzgebungsverfahren dann weitergehen.
Die Vertreter:innen von Bundestag und Bundesrat haben sich am Dienstagabend im Vermittlungsausschuss auf Änderungen am bisher umstrittenen Hinweisgeberschutzgesetz (besser bekannt als "Whistleblower-Gesetz") geeinigt. Der Kompromiss enthält insbesondere Änderungen zu den Meldewegen für anonyme Hinweise, zu Bußgeldern und zum Anwendungsbereich des Gesetzes. Nun könnte das lang ersehnte Whistleblowerschutzgesetz endlich kommen. Das Gesetz dient der überfälligen Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie, die eigentlich bis Dezember 2021 hätte erfolgen sollen.
Ziel des Gesetzes ist es, Beschäftigte, die auf Missstände in ihrem Unternehmen oder einer Behörde aufmerksam machen, vor Entlassung und anderen negativen Konsequenzen zu schützen. Der ursprüngliche Entwurf des Bundesjustizministeriums (BMJ) hatte jedoch viel Kritik erfahren, insbesondere die vorgeschriebenen Meldestellen und der auf Gesetzesverstöße begrenzte Anwedungsbereich stießen auf Gegenwehr. Als der Bundesrat letztlich seine erforderliche Zustimmung zu dem Gesetz verwehrte, war klar, dass Änderungsbedarf bestand.
Keine Pflicht zur Bearbeitung anonymer Hinweise und niedrigere Bußgelder
Obwohl auch dieser Punkt im Gesetzesentwurf kritisiert wurde, bleibt es nach der Einigung im Vermittlungsausschuss dabei, dass Unternehmen nicht verpflichtet sind, die Abgabe anonymer Meldungen zu ermöglichen. Dies gilt sowohl für interne als auch auch für externe Meldestellen. Es wird lediglich vorgegeben, dass die Stellen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten sollten.
Inhalt der Einigung ist außerdem, dass Informationen über Verstöße nur noch in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen sollen, wenn sie sich auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, beziehen.
Die maximale Höhe der für Verstöße gegen das Gesetz angedrohten Bußgelder für Unternehmen, die sich nicht an die neuen Vorgaben halten, soll nach dem Kompromiss statt 100.000 Euro nur noch 50.000 Euro betragen.
Vermittlungsergebnis ruft positive Reaktionen hervor
Mit dem Ergebnis der Verhandlungen scheinen die beteiligten Akteure zufrieden zu sein. "Wir konnten im Vermittlungsausschuss eine gute Einigung erzielen, die in wichtigen Punkten Vorschläge des Regierungsentwurfes wieder aufgreift", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Dienstagabend. Besonders wichtig sei ihm, dass die Bundesregierung bei der Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie in nationales Recht Spielräume genutzt habe, um das Gesetz für Unternehmen "so bürokratiearm wie möglich zu gestalten und zugleich Hinweisgeber wirksam zu schützen."
Baden-Württembergs Vize-Regierungschef und Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte: "Wir haben hier an ganz entscheidenden Schrauben nachgezogen, sodass ich zuversichtlich bin, dass das Verhandlungsergebnis auch im Deutschen Bundestag und im Bundesrat eine entsprechende Mehrheit erhalten wird." In der Sache habe man "ein von der Berliner Ampel ins Werk gesetztes Bürokratiemonster abgewendet."
Was die Bereitstellung von Möglichkeiten durch das Bundesamt für Justiz (BfJ), mit denen Unternehmen anonyme Hinweise bearbeiten können, angeht, sagt der Bundestagsabgeordnete Till Steffen (Grüne): "Wir gehen davon aus, dass dies die Unternehmen überzeugen wird, diese Möglichkeit auch freiwillig bei sich einzurichten".
"Mit der Stärkung interner Meldewege, einer fairen Beweislastverteilung und dem größeren Spielraum bei den Löschfristen haben wir weitere wichtige Verbesserungen erreicht. Das Ergebnis ist ein besserer Hinweisgeberschutz", findet der Bundestagsabgeordnete Dr. Martin Plum (CDU).
Interessenverband beklagt Streichung des Schmerzensgelds für Whistleblower
Mitunter wird der erzielte Kompromiss aber auch kritisiert. Der Whistleblower-Netzwerk e.V. moniert vor allem die restriktiven Vorgaben für Offenlegungen gegenüber den Medien und die weitgehenden Ausnahmen für Whistleblower aus dem Geheimschutzbereich. Zudem sei bedauerlich, dass das ursprünglich vorgesehene Schmerzensgeld für die "immateriellen Schäden", die Whistleblower durch die Offenlegung gewisser Vorgänge erleiden, nun nicht mehr Teil des Gesetzes sind.
Die fehlende Pflicht zur Einrichtung anonymer Meldekanäle bezeichnet der Verein als Abschwächung. Solche Kanäle hätten Hinweisgeber zu Meldungen ermutigt, ohne dabei Denunziantentum zu fördern. "Der Kompromiss zeigt, dass es bei den Unionsparteien und Teilen der Wirtschaft nach wie vor große Vorbehalte gegen Whistleblower gibt, obwohl diese im Interesse von Gesellschaft und Wirtschaft handeln", so der Geschäftsführer von Whistleblower-Netzwerk, Kosmas Zittel.
Der Verein begrüßt hingegen, dass der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes nicht eingeschränkt wurde. Dies hätte seiner Auffassung nach zu Rechtsunsicherheit geführt und Whistleblower abgeschreckt. Der Verein fordert aber dennoch eine darüberhinausgehende Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs auf sonstiges erhebliches Fehlverhalten oder Missstände unterhalb der Schwelle eindeutiger Rechtsverstöße.
Der veränderte Entwurf soll schon am kommenden Donnerstag im Bundestag besprochen werden. Nimmt der Bundestag den Einigungsvorschlag noch in dieser Woche an, so könnte der Bundesrat dem entsprechend geänderten Gesetz in seiner Plenarsitzung am Freitag zustimmen. Das Gesetz könnte dann schon Mitte Juni 2023 in Kraft treten. "Die Baustelle Hinweisgeberschutz, die uns die letzte Regierung hinterlassen hat, ist beseitigt", sagte Buschmann.
lmb/LTO-Redaktion
Vermittlungsausschuss einigt sich: . In: Legal Tribune Online, 10.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51737 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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