Es ist ein erster Teilsieg für den Kläger, dessen Frau sich nach einem tragischen Unfall das Leben nehmen wollte. Die Behörden verweigerten damals das todbringende Medikament, alle Klagen gegen die Verwaltungsentscheidung zum Lebenserhalt blieben vor deutschen Gerichten erfolglos. Der EGMR hat sich der Beschwerde angenommen und sie mit Urteil vom Freitag zunächst für zulässig erklärt.
Anders als die Bundesregierung ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) der Auffassung, dass genauer untersucht werden muss, ob dem Beschwerdeführer tatsächlich die Berechtigung zur Beschwerde fehlt. Diese Frage werde aber erst in einem zweiten Schritt in der Begründetheit näher geprüft.
Die Beschwerde gemäß Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) werfe schwerwiegende Sachverhalts- und Rechtsfragen auf, sei schon deswegen nicht offensichtlich unbegründet und daher zuzulassen. Ebenso sei die Beschwerde bezüglich der Vereitelung des Rechts auf wirksame Beschwerde nicht offensichtlich unbegründet und folglich zulässig (Urt. 10.06.2011, Beschwerdenummer 497/09).
Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger. Seine Frau stürzte vor dem eigenen Haus im Jahr 2002 und war seitdem querschnittsgelähmt. Sie musste fortan künstlich beatmet und ständig durch Pflegepersonal betreut werden.
Sie wollte sterben und beantrage dafür beim Bundesinstitut für Arzneimittel die Erlaubnis, eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital zu erwerben. Ihr Antrag wurde abgelehnt, weil sich der Sterbewille nicht mit dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes vereinbaren lasse. Dieser bestehe nämlich darin, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Gegen die Ablehnung legten der Beschwerdeführer und seine Frau Widerspruch ein. Anfang Februar 2005 nahm sich die Frau mit Hilfe des Vereins Dignitas in der Schweiz das Leben.
Erfolglos in allen Instanzen
Auf den negativen Widerspruchsbescheid des Bundesinstituts im März 2005 erhob der Beschwerdeführer eine Fortsetzungsfeststellungsklage, um feststellen zu lassen, dass die Verweigerung der Erlaubnis zum Erwerb rechtswidrig war. Das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage jedoch ab, denn der Beschwerdeführer könne nur die Verletzung eigener Rechte geltend machen, nicht die seiner Frau, lautete die Begründung.
Ähnlich entschied das Oberverwaltungsgericht NRW. Zuletzt scheiterte der Beschwerdeführer auch vor dem Bundesverfassungsgericht. Er sei nicht beschwerdebefugt, auf ein posthumes Recht auf Achtung der Menschenwürde seiner Frau könne er sich nicht berufen.
Der Beschwerdeführer macht nun vor dem EGMR geltend, dass die Weigerung des Bundesinstituts gegen das Recht seiner Frau auf menschenwürdiges Sterben und auch auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK verstößt.
Zudem sei sein eigenes Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden, weil er gezwungen worden war, mit seiner Frau in die Schweiz zu reisen, damit sie dort sterben konnte. Schließlich hätten die deutschen Gerichte sein Recht auf wirksame Beschwerde aus Art. 13 EMRK verletzt, weil sie ihm nicht die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung des Bundesinstituts auf ihre Rechtmäßigkeit ermöglicht hätten.
ssc/LTO-Redaktion
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EGMR zur Sterbehilfe: . In: Legal Tribune Online, 10.06.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3493 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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