Die britische Regierung möchte sich nicht damit abfinden, dass der EGMR einen Abschiebeflug von England nach Ruanda vorläufig stoppte. Eigentlich hat aber der EGMR das letzte Wort. Hintergrund des Falls ist der umstrittene Ruanda-Pakt.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stoppte am Dienstagabend einen Abschiebeflug Englands nach Ruanda. Mit dieser seltenen Intervention des Gerichts will sich die britische Regierung allerdings nicht abfinden. "Ich bin sicher, dass wir das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anfechten werden, denn britische Richter haben vorher entschieden, dass die Flüge abheben können", sagte Arbeitsministerin Thérèse Coffey am Mittwochmorgen bei Sky News. Sie sei "sehr zuversichtlich", dass kommende Flüge nach Ruanda stattfinden würden.
London hatte mit dem für den späten Dienstagabend geplanten Flug seinen umstrittene Ruanda-Pakt einläuten wollen, mit dem die konservative Regierung weitere Schutzsuchende von der Einreise ins Vereinigte Königreich abschrecken will. Die Vereinbarung sieht vor, dass Schutzsuchende, die illegal nach Großbritannien gelangt sind, unabhängig von ihrer Nationalität oder Herkunft in das ostafrikanische Land gebracht werden und dort gegen Zahlungen der britischen Regierung die Möglichkeit für einen Asylantrag erhalten. Auch wenn sie dort als Flüchtlinge anerkannt werden, soll es in keinem Fall eine Rückkehr nach Großbritannien geben.
Von britischen Gerichten gab es für den Flug zwar grundsätzlich grünes Licht, allerdings waren viele Einzelklagen erfolgreich, weshalb die Zahl der für Dienstagabend eingeplanten Passagiere in den Tagen zuvor immer kleiner wurde. In den Stunden vor dem geplanten Abflug sorgte eine einstweilge Maßnahme des EGMR in Straßburg dafür, dass die Zahl der Ausreisenden auf null sank, sodass der Flug komplett gestrichen wurde.
EGMR: Abschiebung muss bis Urteil warten
In seiner einstweiligen Maßnahme hat der EGMR aufgefordert, einen irakischen Asylsuchenden, der ursprünglich an Bord sein sollte, erst frühestens drei Wochen nach einer finalen Entscheidung in seinem in Großbritannien laufenden Verfahren außer Landes zu bringen. Einstweilige Maßnahmen sind verbindlich und werden nur selten und bei unmittelbarer Gefahr eines irreparablen Schadens ausgesprochen.
"Wir lassen uns nicht davon abschrecken, das Richtige zu tun und die Grenzen unserer Nation zu schützen", sagte Innenministerin Priti Patel. Am Mittwoch wollte die Ministerin sich im Londoner Unterhaus äußern.
Der EGMR gehört zum Europarat. Gemeinsam setzen sich die von der Europäischen Union unabhängigen Organe für den Schutz der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten ein.
Bislang hat das Straßburger Gericht auch in Großbritannien in solchen Fragen das letzte Wort. Die jüngste Entscheidung dürfte die Debatte befeuern, ob dies so bleiben soll. Danach gefragt, deutete Premierminister Boris Johnson am Dienstag in einem Interview an, dass Änderungen nicht auszuschließen seien.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
Britische Regierung will Entscheidung "anfechten": . In: Legal Tribune Online, 15.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48758 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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