Die Abschiebepraxis Spaniens verstößt gegen die europäischen Menschenrechte. Das Land muss zwei Flüchtlingen eine Entschädigung zahlen, entschied der EGMR.
Die bisher von Spanien an der Grenze zu Marokko praktizierte Abschiebepraxis verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden (Urt. v. 03.10.2017, Beschwerdenr. 8675/15).
Zwei Männer aus Mali bzw. der Elfenbeinküste waren im August 2014 zusammen mit rund 70 weiteren Menschen über die Grenzanlage der spanischen Exklave Melilla an der nordafrikanischen Mittelmeerküste geklettert. Auf spanischer Seite angekommen wurden die Menschen festgenommen und von der spanischen Polizei unmittelbar nach Marokko zurückgeführt. Ihre Identitäten seien nach den Feststellungen des EGMR nicht überprüft worden. Es sei ihnen auch keine Möglichkeit gegeben worden, ihre persönlichen Umstände zu erklären oder Hilfe von einem Anwalt oder Übersetzer zu bekommen.
Bei diesem Vorgehen habe es sich um eine unzulässige Kollektivabschiebung gehandelt, entschied der EGMR. Mit diesem Vorgehen verstoße die spanische Regierung gegen das Verbot der Kollektivausweisung nach Art 4 des Vierten Zusatzprotokolls sowie das Rechts auf effektive Rechtsmittel aus Art 13 EMRK, so die Straßburger Richter. Der EGMR sprach den beiden Migranten jeweils eine Entschädigung von 5.000 Euro zu.
EMRK auch an den EU-Außengrenzen
"Das Melilla-Verfahren hat weit über den Einzelfall hinaus Wirkung. Es ist ein Präzedenzfall, um das grundlegende 'Recht auf Rechte' von flüchtenden und migrierenden Menschen durchzusetzen", sagte Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Das Center hatte die Männer bei ihren Klagen mit Anwälten aus Hamburg und Madrid unterstützt. "Mit dem Urteil stellt der EGMR klar: Spaniens Grenzregime ist menschenrechtswidrig, denn die EMRK gilt auch an den Außengrenzen der EU", so Kaleck.
In einem weiteren EGMR-Verfahren unterstützt das ECCHR Geflüchtete aus Syrien, Irak und Afghanistan in deren Beschwerden wegen der illegalen Rückschiebung nahe des Lagers Idomeni an der mazedonisch-griechischen Grenze.
Spanien verfügt in Nordafrika über zwei Exklaven: Ceuta an der Meerenge von Gibraltar und das 250 Kilometer weiter östlich gelegene Melilla. Das in Melilla angewendete Gesetz zum Schutz der Bürger-Sicherheit ("Ley de protección de la seguridad ciudadana") gilt seit April 2015 und sieht vor, dass Menschen, die die Grenzanlagen von Ceuta oder Melilla zu überwinden versuchen, zurückgewiesen werden können.
tap/LTO-Redaktion mit Material von dpa
EGMR zur Rückführung von Flüchtlingen in Spanien: . In: Legal Tribune Online, 04.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24827 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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