Die Welt-Anti-Doping-Agentur hat Regeln aufgestellt, nach denen Sportler die nationalen Kontrollstellen ständig über ihren Aufenthaltsort auf dem Laufenden halten müssen. Laut dem EGMR verstößt dies nicht gegen deren Menschenrechte.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied am Donnerstag, dass ein Kontrollsystem, wonach Sportler Monate im Voraus Angaben über ihren Aufenthaltsort machen müssen, rechtmäßig ist (Urt. v. 18.01.2018, Az. 48151/11; 77769/13).
Geklagt hatten mehrere Sportler und französische Sportverbände gegen das sog. Whereabouts-System, das Doping-Kontrollsystem der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Diese hat in ihrem Anti-Doping-Code u. a. festgeschrieben, dass Profisportler einer bestimmten, stetig neu festgelegten Zielgruppe bereits Monate im Voraus angeben sollen, wo sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhalten werden, um unangekündigte Doping-Kontrollen auch abseits von Sport-Events und anderen beruflichen Veranstaltungen zu ermöglichen. Zudem müssen sie für jeden Tag ein 60-minütiges Zeitfenster angeben, in dem sie für einen unangekündigte Kontrolle zur Verfügung stünden.
Neben mehreren Verbänden klagten auch einzelne Sportler wie die französische Radfahrerin Jeannie Longo, die von der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD in die Zielgruppe aufgenommen worden war, gegen diese Maßnahmen. Die Bestimmungen waren von der französischen Regierung nach den Vorgaben des Kodex der WADA in nationales Recht umgesetzt worden. Longo rügte einen Eingriff in ihr Recht auf Privat- und Familienleben und ihre persönliche Freiheit, die französischen Gerichte lehnten ihre Anträge allerdings ab.
EGMR sieht starken Eingriff in Recht auf Privatleben der Sportler
So suchte sie schließlich, wie auch die Sportverbände, den Weg zum EGMR, der nun aber das System für rechtmäßig befand. Dabei hatte die Kammer durchaus ein Ohr für die massiven Einschränkungen, denen die Sportler durch das Whereabouts-System ausgesetzt sind: Sie müssen einer öffentlichen Stelle im Voraus präzise mitteilen, wo sie sich künftig wann aufzuhalten gedenken - sieben Tage die Woche, alles im Voraus. Manchmal müssen sie auch zuhause bleiben, um das Zeitfenster für eine unangekündigte Kontrolle abzuwarten.
So wertete denn auch der Gerichtshof die Maßnahmen als Einschränkungen des in Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützten Privatlebens. Allerdings sah er diese aus verschiedenen Gründen als gerechtfertigt an.
In erster Linie stellt er auf das Wohl der Sportler ab. Schließlich, so der EGMR, sähen die Kontrollinstrumente explizit deren Gesundheit als Grund für die Einschränkungen vor, da diese durch ständiges Doping beeinträchtigt werden könne. Nicht nur die Gesundheit der Profis selbst, sondern auch die von Amateursportlern und speziell Kindern könne durch die Verbreitung von Doping gefährdet werden, meinten die Richter. Durch die Leistungssteigerung mit Dopingmitteln würden nämlich auch andere Sportler und besonders junge Menschen dazu verleitet, mitzuziehen.
Gerade junge Menschen sähen schließlich zu den Profis auf und folgten ihrem Beispiel. Hinsichtlich der medizinischen Fakten stützte man sich auf einen internationalen Konsens, nach dem Doping aufgrund diverser Untersuchungen als gesundheitsschädlich gewertet werde.
Doping eine "Plage" im Profisport
Erst im zweiten Schritt wandten die Luxemburger Richter sich dann dem offensichtlichsten Argument zu: der sportlichen Fairness. Doch schien diese den Richtern kein hinreichend substantiierter Grund zu sein, weshalb sie stattdessen etwas schwammig auf den "Schutz der Rechte und Freiheiten anderer" abstellen. Im Kern aber ging es genau um darum: Die Leistungssteigerung mit illegalen Substanzen benachteilige andere Mitbewerber und betrüge die Zuschauer, die einen fairen Wettbewerb erwarteten.
Weiterhin seien unangekündigte Kontrollen im Kampf gegen Doping ein international als notwendig anerkanntes Mittel, so der EGMR. Man erkenne zwar die deutlichen Beeinträchtigungen des Privatlebens der Athleten, die mit der Umsetzung einhergingen, doch seien diese auch in der Pflicht, ihren Teil zur Bekämpfung dessen beizutragen, was die Richter eine "Plage" im internationalen Profisport nannten.
Im Übrigen sei das Recht der Sportler auf individuelle Freiheit aus Art. 2 des Protokoll Nr. 4 zur EMRK durch die 60-minütigen Zeitfenster, in denen sie sich für Kontrollen bereithalten müssen, nicht beeinträchtigt. Es handele sich dabei um keine Überwachungsmaßnahme gleich einer Fußfessel, wie von Kritikern gerügt wurde.
Das Urteil des EGMR ist aber noch nicht endgültig. Binnen drei Monaten nach Zustellung können die Parteien noch die Große Kammer des Gerichtshofs anrufen.
mam/LTO-Redaktion
EGMR billigt strenges Doping-Kontrollverfahren für Sportler: . In: Legal Tribune Online, 18.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26549 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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