Bei einem Fußballspiel im Jahr 2007 sollen Polizisten Fans ohne Grund mit Schlagstöcken und Pfefferspray attackiert haben. Diesen Vorwürfen wurde nie ausreichend nachgegangen, entschied nun der EGMR. Er sprach zwei Fans Entschädigungen zu.
Während eines Polizeieinsatzes nach einem Fußballspiel in München im Jahr 2007 soll es zu gewaltsamen Übergriffen durch Beamte gekommen sein. Eine ausreichende Untersuchung der Vorfälle seitens der zuständigen Behörde habe indes nie stattgefunden, erklärte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Donnerstag und verurteilte die Bundesrepublik Deutschland zu einer Entschädigung zweier Fans (Urt. v. 09.11.2017, Az. 47274/15).
Die beiden Antragsteller hatten am 9. Dezember 2007 im Grünwalder Stadion in München das Amateurfußballspiel der beiden Lokalrivalen FC Bayern und TSV 1860 München verfolgt und monierten vor dem EGMR, sie seien beim dort stattfindenden Polizeieinsatz Opfer von grundloser Gewalt durch die Beamten geworden.
Über 200 Polizisten waren dort wegen vermuteter Ausschreitungen durch Anhänger der beiden Vereine im Einsatz gewesen und hatten die Fangruppe der Beschwerdeführer nach Spielende für 15 Minuten in ihrem Block zurückgehalten, um ein Aufeinandertreffen mit gegnerischen Fans zu vermeiden - ein bei derartigen Spielen nicht ungewöhnlicher Vorgang.
Ermittlungen mehrfach eingestellt
Als die Gruppe schließlich ihren Fanblock verlassen durfte, sollen Polizisten eine Gruppe von Fans beim Verlassen des Stadions ohne ersichtlichen Grund mit ihren Schlagstöcken attackiert haben. Ohne Vorwarnung sei er von einem Beamten gegen den Kopf geschlagen worden, erklärte einer der Männer vor den Straßburger Richtern. Der Schlag soll eine blutende Wunde verursachte haben, die danach von einem Sanitäter vor Ort versorgt und später im Krankenhaus weiter behandelt worden sein soll.
Der andere Fußballfan trug vor, ein Polizist habe ihn vor dem Verlassen des Stadions an der Schulter gepackt und ihm aus nächster Nähe Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Daraufhin sei er zu Boden gegangen und anschließend mit einem Schlagstock auf den Arm geprügelt worden.
Nachdem Medienberichte die Vorfälle thematisiert hatten, eröffnete die Staatsanwaltschaft München im Januar 2008 ein Verfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt durch die eingesetzten Polizisten.
Videomaterial des Einsatzes lückenhaft
Zweimal wurden die Ermittlungen daraufhin eingestellt: Zunächst hieß es, es sei zwar zu Gewaltanwendung durch Polizisten gekommen, doch die Beamten, die keine sichtbare Kennzeichnung getragen hatten, seien nicht zu identifizieren gewesen. Auf Beschwerde eines Fananwalts hin wurde das Verfahren im Oktober 2008 wieder aufgerollt, später aber mit der Begründung eingestellt, die Beamten hätten die Schlagstöcke nur zur Abwehr aggressiver Fans eingesetzt. Schließlich schaltete sich auch die Generalstaatsanwaltschaft ein und forderte weitere Aufklärung des Falles, billigte aber am Ende die Einstellung des Ermittlungsverfahrens.
Zweifel an den Ermittlungen waren auch deshalb aufgekommen, weil sie von der gleichen Polizeibehörde durchgeführt wurden, der auch der Einsatztrupp angehörte, gegen dessen Beamte ermittelt werden sollte. Zudem existierten Videoaufnahmen des Einsatzes. Zu Zwecken der Beweissicherung werden bei Einsätzen wie dem im Grünwalder Fußballstadion von der Polizei oft mit Videokameras ausgerüstete Beamte mitgeschickt, die das Vorgehen dokumentieren. Damit sollte die Aufklärung ein Leichtes sein, könnte man denken.
Allerdings bekamen die ermittelnden Beamten nur Ausschnitte der gefertigten Aufnahmen zur Verfügung gestellt. Warum die Sequenzen lückenhaft waren, wer Teile davon aus welchen Gründen gelöscht haben könnte - Antworten darauf blieben die bayrische Polizei und die Landesregierung schuldig.
Maximilian Amos, EGMR rügt Überprüfung von Einsatz nach Fußballspiel: . In: Legal Tribune Online, 09.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25453 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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