Russland will sich EGMR-Urteil widersetzen: Keine Kom­pro­misse bei gleich­ge­sch­lecht­li­cher Ehe

14.07.2021

In Russland haben mehrere homosexuelle Paare vergeblich versucht, ihre Beziehung offiziell anerkennen zu lassen. Dem EGMR zufolge verstößt das gegen Menschenrechte. Russlands Regierung möchte an seiner Verfassung jedoch nichts ändern.

Der Kreml hat mit Nachdruck eine Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen abgelehnt. Nach der russischen Verfassung sei das nicht zulässig, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge am Mittwoch. Präsident Wladimir Putin und die russische Bevölkerung seien klar dagegen. "Nein, es ist nicht nötig, hier einen Kompromiss zu suchen", sagte er. Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg Russland verurteilt, weil es keine offizielle Anerkennung für gleichgeschlechtliche Paare zugelassen hat (Urteile v. 13.07.2021, Nr. 40792/10, 30538/14, 43439/14).

Geklagt hatten laut Pressemitteilung des EGMR drei homosexuelle Paare, die mehrmals versucht hätten, in Russland zu heiraten. Ihre Anträge seien dort aber immer abgelehnt worden. Dagegen sind sie in der russischen Gerichtsbarkeit vorgegangen, aber ohne Erfolg. Die nationalen Gerichte begründeten die Entscheidungen laut EGMR vor allem damit, dass die russische Verfassung eben keine gleichgeschlechtliche Ehe vorsehe. Kremlchef Putin hatte im vergangenen Jahr bei einer Verfassungsänderung festschreiben lassen, dass eine Ehe nur zwischen Mann und Frau möglich sei. Festgelegt wurde damals auch, dass die Verfassung über den Urteilen internationaler Gerichte stehe.

Keine Abhängigkeit der Minderheit von der Mehrheit

Laut EGMR verstößt Russland damit gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Das Recht verlange zwar nicht explizit von Staaten, dass sie gleichgeschlechtliche Partnerschaften formell anerkennen. Es müsse jedoch eine gerechte Balance zwischen den widerstreitenden Interessen von gleichgeschlechtlichen Paaren und der Gesellschaft als Ganzes gefunden werden. Das sei hier nicht geschehen. Die russischen Gerichte hätten nicht hinreichend beachtet, dass homosexuelle Paare genauso Beziehungen eingehen könnten wie heterosexuelle Paare. Dass die Mehrheit der russischen Gesellschaft das ggf. anders sieht, sei kein tragfähiges Argument. Die Rechte einer Minderheit könnten nicht von der Akzeptanz der Mehrheit abhängig gemacht werden.

Russlands Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin forderte die Straßburger Richter nun sogar zum Rücktritt auf. Die Juristen seien nicht qualifiziert, wenn sie die nationalen Gesetze des Landes, auf die sich ihre Entscheidung beziehen, nicht kennten. Weiterhin meint Wolodin, es werde wieder einmal versucht, Russland fremde, gegen die Traditionen des Landes gerichtete Werte aufzudrücken.

Homosexualität ist in Russland nicht verboten, wird aber weitgehend tabuisiert. Die russische Führung steht international in der Kritik, durch ihre Politik und den fehlenden Schutz von Minderheiten auch Hass und Gewalt etwa gegen Homosexuelle zu schüren.  

dpa/pdi/LTO-Redaktion

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Russland will sich EGMR-Urteil widersetzen: . In: Legal Tribune Online, 14.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45475 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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