Seit zwei Jahren sitzt der Geschäftsmann und NGO-Gründer Kavala in der Türkei in Untersuchungshaft. Vor türkischen Gerichten blieb er erfolglos. Nun entscheidet der EGMR, dass keine ausreichenden Gründe für die Haft vorliegen und er sofort entlassen werden muss.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fordert die sofortige Freilassung des türkischen Intellektuellen Osman Kavala aus der Untersuchungshaft wegen Verletzung der Menschenrechtskonvention (EMRK) (Entsch. v. 10.12.2019, Az. 28749/18).
Kavala, Gründer mehrerer NGOs zum Schutz der Menschenrechte, sitzt seit gut zwei Jahren in der Türkei in Untersuchungshaft. Ihm wird unter anderem ein Umsturzversuch im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 vorgeworfen. Er wird beschuldigt, die Proteste mit ausländischer Hilfe finanziert zu haben. Kavala steht in Istanbul im Rahmen des auch international aufmerksam beobachteten sogenannten Gezi-Prozesses mit 15 weiteren Zivilgesellschaftsaktivisten vor Gericht, der am 24. und 25. Dezember 2019 fortgesetzt wird. Erst im Oktober hatte ein türkisches Gericht entschieden, dass Kavala weiter in Untersuchungshaft bleiben muss.
Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft rief Kavala dann den EGMR an. Dieser entschied nun, dass die andauernde Haft gegen die EMRK verstoße. Es wurden Verstöße gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit aus Art. 5 Abs. 1 EMRK sowie gegen das Recht auf eine zügige Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Untersuchungshaft aus Art. 5 Abs. 4 EMRK festgestellt. Darüber hinaus sei die Schranke aus Art. 18 EMRK hinsichtlich Art. 5 Abs. 1 EMRK überschritten worden.
Der EGMR begründete die Verstöße damit, dass als Voraussetzung für die Untersuchungshaft ein starker Verdacht bestehen müsse, dass der Inhaftierte die vorgeworfenen Straftaten begangen hat. Dafür müssten sie für einen objektiven Beobachter wahrscheinlich erscheinen. Für den EGMR waren die zuständigen türkischen Behörden aber nicht nur nicht in der Lage, entsprechende Beweise vorzulegen. Vielmehr sah der EGMR in dem in der Türkei kriminalisierten Verhalten Kavalas Aktionen, die eine Ausübung der in der Konvention in Art. 10 und Art. 11 EMRK garantierten Rechte darstellten, also der Meinungsäußerungsfreiheit sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Außerdem ist das Gericht der Ansicht, dass Kavala und die mit ihm inhaftierten anderen 15 Menschenrechtsverteidiger durch die Untersuchungshaft zum Schweigen gebracht werden sollten.
Im Ergebnis kommt der EGMR zu dem Schluss, dass die türkische Regierung alle notwendigen Maßnahmen ergreifen müsse, um die Inhaftierung von Osman Kavala zu beenden und seine sofortige Freilassung sicherzustellen. Eine Entschädigung im Sinne des Art. 41 EMRK war nicht beantragt worden. Die Entscheidung zur Entlassung Kavalas müsse nun umgehend umgesetzt werden, hieß es in einer am Dienstag von seinen Anwälten verbreiteten Erklärung. Die Anwälte begrüßten das Urteil, kritisierten jedoch, dass es spät gefallen sei.
dpa/ast/LTO-Redaktion
EGMR verurteilt die Türkei für Inhaftierung: . In: Legal Tribune Online, 10.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39163 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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