Laut EuGH verstößt sie gegen Unionsrecht, nun soll sie abgeschafft werden: Die umstrittene Disziplinarkammer für Richter in Polen. Dafür stimmte eine der beiden Kammern des Parlaments, die andere muss noch folgen.
Der polnische Sejm, eine der beiden Kammern des polnischen Parlaments, hat ein Gesetz zur Abschaffung der umstrittenen Disziplinarkammer für Richter:innen gebilligt. Damit ist ein wichtiger Schritt in Richtung der Freigabe von milliardenschweren Corona-Hilfen durch die EU-Kommission getan. In zweiter Lesung stimmten am Donnerstag nach Angaben der Agentur PAP 231 Abgeordnete für den Entwurf, dagegen waren 208. Es gab 13 Enthaltungen. Das Gesetz geht nach der Verabschiedung im Sejm nun an die zweite Parlamentskammer, den Senat.
Die Disziplinarkammer Polens ist ein Bestandteil der umstrittenen Justizreformen des Landes gewesen, die auch schon mehrfach Thema am Europäischen Gerichtshof (EuGH) waren. So entschied er im Sommer 2021, dass die 2018 eingerichtete Disziplinarkammer am Obersten Gericht des Landes nicht alle Garantien für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter:innen diene. Die Mitglieder der Disziplinarkammer wurden nämlich vom Landesjustizrat ausgewählt, der eigentlich die Unabhängigkeit der Richter:innen garantieren soll. Doch seit der PiS-Justizreform Ende 2017 werden die Mitglieder des Gremiums vom Sejm und nicht mehr von anderen Richter:innen gewählt. Das sei ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip der Union, meinte der EuGH. Polen kündigte dann an, die Kammer abschaffen zu wollen.
Präsident Andrzej Duda legte den entsprechenden Gesetzesentwurf im Februar vor. Die Gesetzesnovelle sieht vor, die Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof abzuschaffen. Die dort gegenwärtig tätigen Höchstrichter können in eine andere Kammer wechseln oder in den Ruhestand gehen.
Anstelle der umstrittenen Disziplinarkammer soll eine neue "Kammer für berufliche Verantwortung" eingerichtet werden. Für deren Besetzung sollen unter allen Richtern des Obersten Gerichts mit Ausnahme des Gerichtspräsidenten 33 Personen ausgelost werden. Der Staatspräsident wird aus ihnen jeweils elf Richter für eine Amtszeit von fünf Jahren auswählen.
Der Entwurf sieht auch die Einführung einer Prüfung der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Richter:innen vor. Die EU hat Corona-Hilfen für Polen blockiert und will sie nur freigeben, wenn wichtige Teile der Justizreform der nationalkonservativen PiS-Regierung rückgängig gemacht werden. Dazu gehört auch die Abschaffung der Disziplinarkammer.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
Abstimmung im Parlament: . In: Legal Tribune Online, 27.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48573 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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