Ermittlungsakten der Kölner Staatsanwaltschaft bringen neue Fakten im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal ans Licht. Neue Fragen für den Hamburger Untersuchungsausschuss ergeben sich auch aus einem Bargeldfund.
Die Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft sieht den Verdacht einer Einflussnahme führender SPD-Politiker auf die steuerliche Behandlung der in den Cum-Ex-Skandal verwickelten Warburg Bank durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln erhärtet. Zwar sei durch einen in den Ermittlungsakten genannten Fund von über 200.000 Euro Bargeld in einem Schließfach des früheren Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs kein direkter Bezug zur Warburg Bank herzustellen, sagte ihr Obmann im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA), Norbert Hackbusch, der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings hätten Befragungen im PUA gezeigt, dass sich Kahrs stark für die Interessen der Bank eingesetzt habe.
Für den Obmann der CDU und Schriftführer im Ausschuss, Richard Seelmaecker, stellt sich die Frage, ob über die bereits bekannten Spenden aus dem Umfeld der Bank hinaus weitere Zahlungen an die SPD erfolgt sind "und falls ja, wie viel und an wen?". 2017 hatten Beteiligungsgesellschaften aus der Warburg-Gruppe Kahrs SPD-Kreisverband Mitte insgesamt 38.000 Euro gespendet. 7.500 Euro gingen direkt von der Bank an den SPD-Landesverband.
Ermittlungen gegen Johannes Kahrs
Gegen Kahrs wird wegen des Verdachts der Begünstigung im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Geschäften der Warburg Bank ermittelt. Im September vergangenen Jahres war seine Wohnung durchsucht worden. Im Zuge dessen seien in einem Bankschließfach mehr als 200.000 Euro in bar gefunden worden, wie aus den Ermittlungsakten hervorgehe, sagte Hackbusch. Die PUA-Mitglieder hatten die Akten aus Köln in der vergangenen Woche erhalten.
Aus den sichergestellten Tagebüchern des Warburg-Bank-Gesellschafters Christian Olearius und weiteren Befragungen im PUA wisse man, "dass Herr Kahrs sehr viele Aktivitäten in Zusammenhang mit Herrn Olearius getätigt hat, in Kenntnis der Tatsache, dass gegen diesen bereits wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung ermittelt wurde", sagte Hackbusch.
Demnach hatte sich Kahrs für die Treffen von Olearius mit dem damaligen Hamburger Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) 2016 und 2017 stark gemacht. Der Bargeldfund lasse dieses Engagement in neuem Licht erscheinen. "Warum sollte man sonst solche Aktivitäten unternommen haben zugunsten eines damals schon bekannten Steuerräubers?", fragte Hackbusch.
Kurz nach den ersten Treffen hatte sich die Finanzverwaltung 2016 entgegen ursprünglicher Planung dazu entschieden, auf mögliche Steuerrückforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro zu verzichten und sie stattdessen in die Verjährung laufen lassen. Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums kurz vor Eintritt der Verjährung eingefordert.
Später musste die Warburg Bank aufgrund eines Gerichtsbeschlusses mehr als 176 Millionen Euro zu Unrecht erstatteter Steuern zurückzahlen. Sie versucht aber weiter auf juristischem Weg, gegen die später vom Finanzamt geänderten Steuerbescheide vorzugehen.
Scholz erneut vor Untersuchungsausschuss
Scholz soll am Freitag kommender Woche erneut vom Untersuchungsausschuss vernommen werden. Wie sein Sprecher am Montag sagte, war dem Kanzler nichts von dem bei Kahrs gefundenen Bargeld bekannt. Bei seiner ersten Vernehmung im vergangenen Jahr hatte Scholz alle Vorwürfe der politischen Einflussnahme auf den Steuerfall Warburg bestritten, sich an die Treffen mit den Bank-Gesellschaftern aber nicht erinnern können.
"Die weiteren Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft in Köln belegen, dass wir noch nicht alle relevanten Umstände aufgeklärt haben", sagte CDU-Obmann Seelmaecker der dpa. "Als nächstes haben wir zu ermitteln: Welche Daten wurden zurückgehalten und welche wurden auf wessen Veranlassung hin gelöscht, beziehungsweise wer hat versucht, sie zu löschen, damit die Aufklärung des SPD-Cum-Ex-Skandals in Hamburg verhindert wird?"
Laut Seelmaecker und Hackbusch legen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln den Verdacht nahe, dass in der Finanzbehörde den Fall betreffende Akten fehlen und E-Mails gelöscht wurden.
Außerdem wolle er wissen: "Was hat es mit dem "teuflischen Plan" auf sich?", sagte Seelmaecker. In den Akten findet sich demnach auch ein sichergestellter Chatverlauf, in dem eine Hamburger Finanzbeamtin 2016 - kurz nachdem die Finanzverwaltung sich gegen eine Steuerrückforderung gegen die Warburg Bank entschieden hatte – einer Kollegin schreibt, dass ihr "teuflischer Plan" aufgegangen sei.
CDU und Linke wollten aufgrund der neuen Erkenntnisse die beiden in dieser Woche geplanten Sitzungen des PUA und die in der kommenden Woche geplante Vernehmung Scholz' verschieben, um die Akten zunächst auswerten zu können. Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen lehnen dies jedoch ab. Für Scholz dürfte der Auftritt am Freitag kommender Woche deshalb nicht der letzte sein: "Ich bin mir sicher, dass er noch ein drittes Mal kommen muss.", sagte Hackbusch.
dpa/ast/LTO-Redaktion
Cum-Ex-Skandal: . In: Legal Tribune Online, 08.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49264 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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