Ein Unternehmer wollte im Artikel "Geheimplan gegen Deutschland" seine Namensnennung und Eindrücke zu seinem Spendeverhalten verbieten lassen. Vor dem LG Hamburg scheiterte er. Sieger Correctiv hat inzwischen in Sachen PR vom Gegner gelernt.
Das Landgericht (LG) Hamburg hat entschieden, dass über den Unternehmer K. N.* im Correctiv-Artikel "Geheimplan gegen Deutschland" namentlich berichtet werden darf. Auch würden im Bericht keine falschen Eindrücke über ihn und sein Spendeverhalten erweckt, so das LG (Beschl. v. 27.02.2024, Az. 324 O 53/24).
Correctiv hatte Mitte Januar über ein Treffen von Rechtsextremen in Potsdam unter dem Titel "Geheimplan gegen Deutschland" berichtet. An einer Stelle geht es um die Gelder, die der Initiator des Treffens, Gernot Mörig, sammelt, um – so die Aussage im Bericht – kleinere Organisationen, wie etwa diejenige des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner, zu unterstützen. Anschließend thematisiert der Artikel potenzielle Unterstützer, die auf einer Liste stünden; auch solche, die nicht vor Ort anwesend sind. In diesem Zusammenhang wird auch der Name des Unternehmers N. erwähnt. Er kommt sodann mit einer Stellungnahme zu Wort, wonach er im Zusammenhang mit dem Treffen keine 5.000 Euro gespendet habe und sich dazu auch nicht dazu veranlasst sehe.
K. N. beantragte daraufhin eine Unterlassungsverfügung beim LG Hamburg. Zum einen wollte er damit die identifizierende Berichterstattung an sich untersagen. Zum anderen wandte er sich gegen den – aus seiner Sicht – erweckten Eindruck, er finanziere eine Organisation des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner. Außerdem habe Correctiv seine Stellungnahme nur verkürzt wiedergegeben, so N.
Identifizierende Berichterstattung erlaubt
Das LG erlaubte jedoch seine namentliche Nennung. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) biete keinen allgemeinen Schutz davor, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden, sondern nur in bestimmten Fällen. So sei gerade bei Strafverfahren wegen der Unschuldsvermutung eine Namensnennung nicht immer zulässig. Wenn es hingegen um einen unstreitigen Vorfall gehe, gewähre das Persönlichkeitsrecht keinen Anspruch, von anderen nur so dargestellt zu werden, wie man sich selbst sehen oder gesehen werden möchte. Zudem könne die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden.
Das LG ließ sodann die im Presserecht vorzunehmende Abwägung zugunsten der Meinungsfreiheit von Correctiv ausfallen. Dies liege zum einen daran, dass die im Correctiv-Bericht geschilderten Umstände über N. wahr seien. So habe N. auf einer Liste von potentiellen Spendern gestanden. Er habe zum anderen im Verfahren selbst vorgetragen, dass er über Mörig eine Spende für die Finanzierung der Durchführung eines Wahleinspruchs sowie einer Wahlprüfungsbeschwerde geleistet habe. Die Berichterstattung über die Spende betreffe zudem nur die Sozialsphäre und nicht die weitergehend geschützte Privatsphäre von N. So habe N. schon in der Vergangenheit eine – nach § 25 Abs. 3 S. 2, 3 Parteiengesetz – anzeige- und publizitätspflichtige Spende in Höhe von über 50.000 € an die AfD geleistet und sich hierüber auch im Jahre 2015 im Spiegel öffentlich geäußert. Hintergrund war seine Unterstützung für den damaligen AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke.
Keine falschen Eindrücke durch Correctiv-Bericht
Die Stellungnahme von N. sei auch nicht unzulässig verkürzt wiedergeben. Seine Aussage, es sei eine Unverschämtheit, "mit derartigem Unfug" konfrontiert zu werden, müsse schon deswegen nicht berücksichtigt werden, weil nicht deutlich werde, ob N. damit die Inhalte der Veranstaltung oder die Art und Weise der Konfrontation als Unfug bezeichne.
Schließlich geht das LG auch nicht davon aus, dass der Bericht einen unzutreffenden Eindruck über sein Spendeverhalten erwecke. Dem Artikel könne nicht die Aussage entnommen werden, N. habe eine Organisation von Martin Sellner finanziert oder eine solche Zahlung gegenüber dem Initiator Mörig zugesagt. Der unvoreingenommene und verständige Durchschnittsleser entnehme dem Bericht allein, dass N. im Vorfeld der Tagung – unabhängig von der für die Teilnahme erbetenen 5.000 € – überhaupt eine Spende geleistet habe; nicht aber, dass N. an Herrn Sellner oder an eine ihm zuzurechnende Organisation gespendet habe.
Nun macht Correctiv das Verfahren größer als es ist
Während es zuvor vor allem der Betroffenen-Anwalt Dr. Carsten Brennecke war, der mit geschickter PR den Eindruck erweckte, in den Gerichtsverfahren ginge es um mehr als Nebensächlichkeiten, übernahm nun Correctiv selbst etwas von dieser Strategie. Den gerichtlichen Sieg stellte es auf seiner Website umfassend dar, nicht ohne dem Verfahren am Ende selbst eine übertriebene Bedeutung beizumessen. So äußerte Justus von Daniels, Chefredakteur von Correctiv: "Die klare Entscheidung des Gerichts zeigt einmal mehr, dass unsere Recherche steht. Auf dem Potsdam-Treffen ging es um die Vertreibung von Millionen von Menschen. Das hat die Öffentlichkeit zu Recht erfahren".
Dass das LG Hamburg sich nicht im Ansatz mit der Frage beschäftigte, ob die Aussage im Correctiv-Artikel zur "Planung" der "Vertreibung von Millionen Menschen" zulässig ist, blendete von Daniels aus. Eine Aussage, die Correctiv im Übrigen selbst gar nicht als Tatsachenbehauptung, sondern gegenüber LTO nur als "wertende Schlussfolgerung auf belastbarer faktischer Basis" verstanden haben will – die mithin einer gerichtlichen Überprüfung nach dem Kriterium wahr oder unwahr ohnehin entzogen ist.
Jetzt ist das OLG Hamburg an der Reihe
Correctiv-Anwalt Thorsten Feldmann (JBB Rechtsanwält:innen) sprach von einem juristischen Erfolg "ohne Wenn und Aber". Die Hamburger Pressekammer habe "attestiert, dass Correctiv wahrheitsgemäß und vollständig berichtet hat.“
Aufgrund des Anonymitätsinteresses seines Mandanten reagierte Dr. Carsten Brennecke (Höcker Rechtsanwälte) verhältnismäßig zurückhaltend. Gegenüber LTO äußerte er: "Höcker Rechtsanwälte sind für eine Person gegen Correctiv vorgegangen, die in dem Bericht zum Potsdam-Treffen benannt wurde, obwohl sie auf dem Treffen nicht anwesend war. (…). Das Landgericht Hamburg meint in seiner Abwägung, der Name dürfe genannt werden. Unser Mandant wird diese Entscheidung in der Beschwerde zum Oberlandesgericht Hamburg angreifen."
Zuvor hatte Brennecke bereits angekündigt, auch für seinen Mandanten Ulrich Vosgerau Beschwerde beim OLG Hamburg einzulegen. Dessen Unterlassungsantrag gegen den Correctiv-Bericht war in zwei von drei Punkten vom LG abgewiesen worden.
* LTO nennt mit Rücksicht auf das laufende Verfahren, in dem es gerade um die Frage der Zulässigkeit der identifizierenden Berichterstattung geht, den Namen des Antragstellers nicht. Eine irgendwie geartete rechtliche Bewertung ist damit nicht verbunden.
Weiteres Gerichtsverfahren wegen Artikel um Potsdamer Treffen: . In: Legal Tribune Online, 29.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54005 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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