Die Corona-Notbremse des Bundes ist durch den Bundestag, es gab eine hitzige Debatte und mehrere Änderungsanträge. Worum es ging und was beschlossen wurde, lesen Sie hier.
Am Mittwoch debattierte der Bundestag abschließend über das Infektionsschutzgesetz (IfSG). In namentlicher Abstimmung votierten 342 Abgeordnete für das Gesetz. Es gab 250 Nein-Stimmen und 64 Enthaltungen. Im Vorfeld stimmten in zweiter Lesung CDU/CSU und SPD dem Entwurf zu, während FDP, AfD und Die Linke dagegen stimmten. Die Grünen enthielten sich.
Konkret ging es um den Entwurf eines "Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite". Doch auch zahlreiche Änderungsanträge der Oppositionsfraktion standen dabei zur Abstimmung, die jedoch allemsamt abgelehnt wurden.
Der nun beschlossene Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen hat zum Ziel, dem Bund mehr Handlungsmöglichkeiten bei der Corona-Pandemie einzuräumen. Im Entwurf heißt es konkret, dass "eine bundesweit einheitliche Steuerung des Infektionsschutzes" gewährleistet werden soll. Als Maßstab für die jeweils aufgelisteten Infektionsschutzmaßnahmen soll der Inzidenzwert gelten, also die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen.
Inzidenzzahl als Dreh- und Angelpunkt der Debatte
So sieht der Entwurf ab einer dreitägigen Inzidenz von 100 oder höher vor, dass Freizeiteinrichtungen, Geschäfte (mit Ausnahmen) und Gaststätten schließen sollen. Für Schulschließungen war ursprünglich eine Inzidenz von 200 vorgesehen, die jedoch noch am Montag per Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen im Gesundheitsausschuss auf 165 abgesenkt wurde. Ebenfalls aufgeweicht wurden die Regelungen für die verfassungsrechtlich umstrittenen Ausgangsbeschränkungen. Diese sollen nach dem aktuellen Entwurf nicht mehr ab 21 Uhr bis fünf Uhr des Folgetags gelten, sondern erst ab 22 Uhr mit weiteren Ausnahmen wie das alleinige abendliche Spazierengehen und Joggen bis 24 Uhr.
Ebenfalls verpflichten die neuen Regelungen Arbeitnehmer dazu, das Angebot ihres Arbeitgebers anzunehmen, ins Homeoffice zu gehen. Lediglich bei bestimmten Voraussetzungen soll es eine Ausnahme geben dürfen, zum Beispiel wenn es zuhause keinen adäquaten Arbeitsplatz gibt. Auch verschärft werden soll die Pflicht für Unternehmen, Corona-Tests anzubieten. Anstatt ein Test pro Woche haben sie nun zwei anzubieten.
Debatte: Gar keine Notbremse - oder gar eine schärfere?
Die Oppositionsfraktionen haben zu diesem Entwurf zahlreiche Änderungsanträge eingereicht, die zur Abstimmung standen. Die Linksfraktion forderte grundlegend in einem ihrer Anträge, dass die Maßnahmen nicht per Rechtsverordnung, sondern wegen der Wesentlichkeit der Entscheidungen vom Bundestag getroffen werden müssen. Die bereits geltenden Rechtsverordnungen müssten als Gesetzentwurf vorgelegt werden. Zudem fordert die Linksfraktion mehr Schnelltests und Selbsttests vor allem in Schulen und Kitas.
In Bezug auf Schulen kritisierte die Co-Vorsitzende der Linksfraktion, Amira Mohamed Ali, im Vorfeld der Bundestagsdebatte zudem, dass diese erst ab einer Inzidenz ab 165 geschlossen werden sollen. "Hier setzt man die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer einem viel zu hohem Infektionsrisiko aus", kritisierte sie im ZDF-Morgenmagazin und ergänzt, dass eine Schulschließung bereits ab einer Inzidenz von 100 notwendig sei.
In der Debatte moniert sie in der Folge, dass obwohl die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD ihre ursprünglichen Pläne noch nachgebessert hätten, sie nur Stückwerk vorlegten, das die großen Probleme nicht lösen werde. "Und das ist unverantwortlich", findet Mohamed Ali. Die Regierung versuche, Grundrechte "praktisch im Vorbeigehen" einzuschränken und ihre Befugnisse massiv auszuweiten. "Die Linke wird das niemals akzeptieren. Wir lehnen ihr Gesetz weiterhin ab."
FDP droht weiter mit Verfassungsbeschwerde
Die Fraktion der Grünen forderte in ihrem Änderungsantrag, eine ebenfalls in dem Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des Arbeitsschutzgesetzes zu verschärfen. Konkret wollte die Fraktion eine verbindliche Testpflicht für alle Betriebe, in denen kein Homeoffice möglich ist, festlegen. Eine Angebotspflicht zum Testen reiche nicht aus.
Die FDP reichte insgesamt sechs Änderungsanträge ein. Unter anderem wollte die Fraktion erreichen, dass nicht mehr einzig und allein der Inzidenzwert als Maßstab für die Maßnahmen gilt. Andere Kennziffern müssten hinzugezogen werden. Zudem beantragt sie eine gänzliche Streichung der Ausgangssperren.
In der Debatte bekräftigt die FDP außerdem ihre Ankündigung, gegen die vorgesehenen Ausgangsbeschränkungen Verfassungsbeschwerde einzulegen. "Die vorgesehenen Ausgangssperren sind keine geeigneten Maßnahmen", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, in der Debatte. "Sie schränken nur in unzulässiger Weise die Grundrechte ein und treiben die Menschen in den privaten Bereich." Die Alternativen zur geplanten Bundes-Notbremse seien gesteigertes Impfen und Testen sowie eine bessere Aufklärung über Kontaktvermeidung.
Debatte drinnen, Gewalt draußen
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland kritisierte den Gesetzentwurf derweil scharf und verurteilte ihn als Missachtung von Grundrechten. Er sprach im Bundestag von einem "Angriff auf die Freiheitsrechte, den Föderalismus wie den gesunden Menschenverstand". Kritiker würden nicht ernst genommen. "Sie können nicht das halbe Volk zu Querulanten machen", sagte er mit Verweis auf die Demonstranten.
Diese haben sich während der Debatte auf der Straße des 17. Juni in Berlin aufgehalten. Die Polizei hat sich mit Absperrungen im Regierungsviertel und einem Großaufgebot darauf vorbereitet, auch Wasserwerfer standen und stehen bereit. Vier der angemeldeten Demonstrationen wurden im Vorfeld untersagt, darunter auch eine der Querdenker-Bewegung. Deren Verbot hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin auch aus Gründen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestätigt. Als die Polizei die Demonstration jedoch auflösen wollte, flogen Flaschen und es wurden seitens der Protestanten Versuche gestartet, zahlreiche Festgenommene wieder zu befreien.
pdi/LTO-Redaktion
Mit Material der dpa
Corona-Notbremse: . In: Legal Tribune Online, 21.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44774 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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