Der Bundesrat hat der Änderung des Infektionsschutzgesetzes zugestimmt - und zwar einstimmig. Es bleiben jedoch Kritik und Zweifel, ob die Corona-Pandemie so wirksam bekämpft werden kann. Die einzelnen Maßnahmen im Überblick:
Mitten in der vierten Corona-Welle hat der Bundesrat grünes Licht für neue Corona-Auflagen gegeben. Am Donnerstag-Vormittag hatte der Bundestag bereits die von SPD, Grünen und FDP geplanten Corona-Neuregelungen beschlossen. Die Länder stimmten nun einstimmig für die umstrittenen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), welche von SPD, Grünen und FDP vorgelegt wurden.
Das IfSG beinhaltet unter anderem 3G-Vorgaben am Arbeitsplatz sowie in Bussen und Bahnen. Hier wären dann jeweils Nachweise über Impfung, Genesung oder negativen Test nötig. Für Pflegeheime und Kliniken sind Testpflichten für Beschäftigte und Besucher:innen vorgesehen. Außerdem kehrt die Homeoffice-Pflicht zurück. Wer Impfpässe fälscht, soll bestraft werden können. Weiterhin möglich sind auch Kontaktbeschränkungen, Vorschriften zum Abstand halten, die Maskenpflicht und auch Zutrittsbeschränkungen nur auf Geimpfte und Genesene (2G).
Auf der anderen Seite aber sollen etwa flächendeckende Schließungen von Schulen, Kitas, Betrieben und Geschäften künftig nicht mehr möglich sein. Nur einzelne Einrichtungen mit besonders hohen Infektionszahlen können geschlossen werden, nicht aber etwa alle in einem Landkreis oder gar einem Bundesland. Auch Beschränkungen von Reisen, Übernachtungsmöglichkeiten und Schließungen von Restaurants sind mit dem neuen Gesetz tabu.
Bouffier: "Ampel hat sich geirrt"
Das hält die Union, die aktuell irgendwo zwischen geschäftsführendem Gesundheitsminister und Opposition steht, für riskant. Es könne nicht sein, dass etwa die flächendeckendere Schließung der Gastronomie nicht mehr möglich sei, sagte NRW-Ministerpräsident Wüst bereits am Donnerstagabend. Außerdem dürfe die derzeitige Rechtsgrundlage für Corona-Auflagen, die "Epidemische Lage von nationaler Tragweite", nicht einfach auslaufen. Das sei ein "fatales Signal an die Bevölkerung", sagte auch Bouffier.
Die Union hatte ursprünglich mit einer Blockade gedroht: Der neue "Instrumentenkasten" schränke die Möglichkeiten der Länder zu stark ein und reiche nicht zum Brechen der Infektionswelle, hatten CDU-Politiker kritisiert. Nach einer Bund-Länder-Runde am Donnerstag, der Ministerpräsidentenkonferenz samt geschäftsführender Kanzlerin Merkel, zeichnete sich jedoch ein Kompromiss ab: Das Gesetz der Ampel-Parteien soll bereits in drei Wochen evaluiert und gegebenenfalls nachgebessert werden.
Hospitalisierungsrate wird wichtiger
Das sei der Grund, warum man dem Gesetz im Bundesrat überhaupt zustimmen könne, machten mehrere Ministerpräsidenten unionsgeführter Länder klar. Inhaltlich seien die Pläne der Ampel-Parteien falsch und gefährlich, sagte der Ministerpräsident von Hessen, Volker Bouffier (CDU). SPD, Grüne und FDP hätten sich geirrt - aber nicht die Größe, das einzugestehen. Die Unions-Länder stimmten jetzt nur zu, um zu verhindern, dass man am Ende ganz ohne Rechtsgrundlage für Corona-Auflagen dastehe, machten Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und Hendrik Wüst (beide CDU) klar.
Konkret einigte man sich in der Bund-Länder-Runde auf einheitlich schärfere Corona-Maßnahmen, die greifen sollen, sobald bestimmte Belastungsschwellen in den Kliniken überschritten werden. Die Ministerpräsidentenkonferenz vereinbarte dafür drei Stufen mit jeweils weitergehenden Beschränkungen. Orientierungsgröße soll dem Beschluss zufolge die für das jeweilige Bundesland ausgewiesene Hospitalisierungsrate sein. Dafür erfasst das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldete Krankenhausaufnahmen von Corona-Patienten pro 100.000 Einwohner in einem Sieben-Tage-Zeitraum. Zudem wollen die Länder Beschäftigte unter anderem in Krankenhäusern und Pflegeheimen zur Corona-Impfung verpflichten.
Bei Überschreiten eines Schwellenwertes von 3 sollen die Länder konkret flächendeckende Zugangsregeln nur für Geimpfte und Genesene (2G) etwa zu Veranstaltungen und der Gastronomie einführen - sofern nicht schon geschehen. Bei Überschreiten eines Werts von 6 sollen die Länder darüber hinausgehend in bestimmten Einrichtungen auch für Geimpfte und Genesene zusätzlich Testnachweise oder andere Maßnahmen vorschreiben (2G plus).
Bisher hatten die Landesregierungen die Möglichkeit, auf einfachem Verordnungsweg weitreichende Schritte zu ergreifen. Nach dem Willen der Ampel-Fraktionen sollen künftig über viele Fragen die Landesparlamente entscheiden, etwa über Einschränkungen von Kultur- und Sportveranstaltungen.
Kommt die Impfpflicht doch noch?
In den kommenden Wochen kommen damit vor allem auf Ungeimpfte ohnehin bereits Einschränkungen zu. Bund und Länder beschlossen am Donnerstag, dass sie künftig überall da keinen Zutritt zu Freizeitveranstaltungen, Gastronomie und Hotels mehr haben, wo eine bestimmte Anzahl an Corona-Patienten ins Krankenhaus eingewiesen wird. Die meisten Länder reißen diesen Schwellenwert schon jetzt. Hier soll künftig 2G gelten, also Teilnahme nur für Geimpfte und Genesene.
Die Bundesländer baten den Bund zudem, in bestimmten Einrichtungen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen eine Impfpflicht für alle einzuführen, die Kontakt zu besonders gefährdeten Personen haben. Der Bund wolle darüber in Kürze entscheiden, kündigte die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Auch die Kontrollen der Impf- und Testnachweise sollen verschärft werden.
Auch die FDP-Bundestagsfraktion berät über eine mögliche Impfpflicht, eine Positionierung wird hierzu zu Beginn der nächsten Woche erwartet. Insbesondere für eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen zeigte sich FDP-Vorsitzender Christian Lindner zuletzt offen. Nötig sei bei einer Entscheidung ein "sorgfältig vorbereitetes Gesetzgebungsverfahren angesichts der Erheblichkeit des Grundrechtseingriffs", so ein FDP-Fraktionssprecher.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Bundesrat billigt einstimmig die Ampel-Pläne: . In: Legal Tribune Online, 19.11.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46699 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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