Möchte ein Ausländer zu seinem hierzulande lebenden deutschen Ehegatten ziehen, muss er nicht zwingend schon vor der Einreise über einfache Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen. Bei der Entscheidung über die Erteilung eines Visums sind nämlich auch die Grundrechte des hier bereits lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, entschied das BVerwG am Dienstag.
Eine afghanische Staatsangehörige heiratete einen Landsmann, der inzwischen auch einen deutschen Pass besitzt und in Deutschland lebt. Ihr Antrag auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug zu ihrem Ehemann wurde abgelehnt mit der Begründung, dass sie als Analphabetin keine ausreichenden Deutschkenntnisse nachgewiesen habe. Diese Begründung wies das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) als zu pauschal zurück.
Zwar habe ein im Ausland lebender Ehegatte grundsätzlich nur dann einen aufenthaltsrechtlichen Anspruch auf Nachzug zu seinem Ehepartner, wenn er schon vor der Einreise einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachweisen kann (§ 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG).
Allerdings gebiete der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Grundgesetz einen schonenden Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse der Integration und der Verhinderung von Zwangsehen sowie dem privaten Interesse der Betroffenen an einem familiären Zusammenleben in Deutschland. Letztlich könnten von dem ausländischen Ehepartner daher nur zumutbare Bemühungen zum Spracherwerb verlangt werden, die ein Jahr nicht überschreiten dürfen. Bleiben entsprechende Bemühungen fruchtlos, muss dem ausländischen Ehegatten gleichwohl ein Einreisevisum erteilt werden, so die Leipziger Richter (Urt. v. 04.09.2012 - Az. 1 C 8.09).
jka/LTO-Redaktion
BVerwG zum Ehegattennachzug: . In: Legal Tribune Online, 04.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6997 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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