Das BVerwG in Leipzig hat zwei Entgeltgenehmigungen, die die Bundesnetzagentur erteilt hatte, auf die Klagen von Wettbewerbern der entgeltberechtigten Unternehmen aufgehoben.
Bei den durch die Genehmigungen begünstigten Unternehmen handelt es sich um Mobilfunkunternehmen, die ihren Kunden so genannte Nahbereichs- (oder Homezone-) Produkte anbieten. Gekennzeichnet sind diese Produkte dadurch, dass der Kunde gegen Zahlung eines Zusatzentgeltes die Möglichkeit hat, mit seinem Mobiltelefon innerhalb des Nahbereichs um einen geographischen Standort zu Festnetzkonditionen anzurufen und angerufen zu werden.
Hierfür wird dem Kunden eine Festnetznummer aus dem Rufnummernbestand eines Festnetzbetreibers, des Kooperationspartners des betreffenden Mobilfunkunternehmens, zugeteilt. Die Entgelte, die die beiden betroffenen Mobilfunkunternehmen für die Zustellung von Anrufen erheben, die aus anderen Netzen als dem eigenen Mobilfunknetz eingehen, unterliegen der Regulierung. Dies gilt auch für Anrufe, die im Rahmen der vorgenannten Nahbereichsprodukte aus dem Festnetz des Kooperationspartners ankommen.
Die Bundesnetzagentur hat durch umstrittene Bescheide Entgelte für die Anrufzustellung in die beiden Mobilfunknetze für den Zeitraum August 2006 bis November 2007 in Höhe genau festgelegter Beträge je Verbindungsminute genehmigt. Die Genehmigungen sahen jedoch vor, dass die genehmigten Entgelte ohne Begrenzung "unterschritten" werden durften, wenn die Anrufe im Nahbereich zugestellt wurden.
Dagegen wandten sich zwei Festnetzunternehmen mit dem Argument, in der nicht näher eingegrenzten Unterschreitung der regulären Zustellungsentgelte liege ein missbräuchliches Preisdumping, welches die Verdrängung von Festnetzanschlüssen durch Mobilfunkanschlüsse fördere. Die Klagen wurden zunächst vom Verwaltungsgericht Köln abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) gab ihnen in der Revisionsinstanz statt.
Die Richter befanden die angefochtenen Genehmigungen, soweit sie die Entgelte für die Anrufzustellung an geographische Rufnummern im Rahmen der Nahbereichsprodukte der beiden Mobilfunkunternehmen betreffen, als zu unbestimmt. Durch die Gestattung einer nach unten offenen Preisspanne stellten sie die - regulierungsbedürftigen - Zustellungsentgelte im Ergebnis von der Genehmigungspflicht praktisch weitgehend frei. Diese Unbestimmtheit eröffnete im Genehmigungszeitraum zumindest die Möglichkeit, die Unterdeckung der Zustellungskosten in einer Weise auszugleichen, die die Wettbewerbsmöglichkeiten der Festnetzbetreiber auf den Endkundenmärkten unlauter beeinträchtigen konnte.
Die Bundesnetzagentur sei zwar ersichtlich davon ausgegangen, dass die Kosten für die Zustellung von Anrufen zu geographischen (Nahbereichs-) Rufnummern, soweit sie nicht durch die (niedrigeren) Zustellungsentgelte gedeckt wurden, von den Nachfragern der Nahbereichsprodukte, das heißt den Endkunden der beiden betroffenen Mobilfunkunternehmen, durch höhere Anschluss- bzw. Verbindungsgebühren selbst bezahlt wurden. Sie habe aber keine Vorsorge dagegen getroffen, dass die Mobilfunkunternehmen (auch) durch etwaige andere Formen einer Querfinanzierung missbräuchliche Anreize für eine Abwanderung von Kunden aus dem Festnetz schaffen konnten. Die Wettbewerber haben einen Anspruch darauf, dass die Bundesnetzagentur durch inhaltlich bestimmte Entgeltgenehmigungen schon der Möglichkeit missbräuchlicher Gestaltungen entgegenwirkt.
(BVerwG, Urt. v. 20.10.2010, Az. 6 C 18.09 und 6 C 19.09)
BVerwG: . In: Legal Tribune Online, 22.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1773 (abgerufen am: 20.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag