Ein Jahrzehnt lang hat er in Deutschland gelebt. Dann erklärte ein Iraker, dass er bei der Ausländerbehörde falsche Angaben gemacht hat. Weil die keine Konsequenzen zog, muss er jetzt dennoch eingebürgert werden, so das BVerwG.
Bei der Anspruchseinbürgerung sind auch Aufenthaltszeiten zu berücksichtigen, in denen der Ausländer unter falscher Identität in Deutschland gelebt hat, ohne dass die Ausländerbehörde hieraus nach Offenlegung der wahren Identität aufenthaltsrechtliche Konsequenzen gezogen hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Donnerstag entschieden (Urt. v. 01.06.2017, Az. 1 C 16.16).
Ein irakischer Staatsangehöriger reiste 1997 unter falscher Identität in das Bundesgebiet ein und beantragte unter falschen Angaben seine Anerkennung als Asylberechtigter. Er wurde als Flüchtling anerkannt und erhielt einen Aufenthaltstitel. Seit 2008 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. 2010 offenbarte er der Ausländerbehörde seine wahre Identität, ohne dass es zu Konsequenzen seitens der Behörden gekommen wäre.
Als er 2012 seine Einbürgerung beantrage, lehnte die Staatsangehörigkeitsbehörde diese ab. Der Iraker habe nicht seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt, wie es das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) fordert. Wegen der Identitätstäuschung bestehe kein gewöhnlicher Aufenthalt nach § 10 StAG. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.
BVerwG: Iraker muss trotz Täuschung eingebürgert werden
Dem trat das BVerwG nun entgegen. Die Leipziger Richter gaben der Revision des Irakers statt und verpflichteten die Einbürgerungsbehörde ihn einzubürgern. Die Einreise unter einer falschen Identität schließe die Berücksichtigung von Aufenthaltszeiten vor Offenlegung der Täuschung nicht generell aus.
Für den gewöhnlichen Aufenthalt komme es maßgeblich darauf an, ob die Ausländerbehörde bei Kenntnis des wahren Sachverhalts und in Ansehung ihrer rechtlichen Möglichkeiten aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergriffen habe.
Da die Ausländerbehörde aber keine Konsequenzen gezogen habe und an die Flüchtlingsanerkennung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gebunden sei, stehe die Identitätstäuschung der Annahme eines rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts nicht entgegen.
Ausländerbehörde habe Täuschung hingenommen
Auch sei die Berücksichtigung der Aufenthaltszeiten unter Identitätstäuschung im Einbürgerungsverfahren nicht rechtsmissbräuchlich. Denn die Ausländerbehörde habe auf die Identitätstäuschung nicht mit den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten reagiert. So habe sie von den gegebenen Möglichkeiten - Stellung einer Strafanzeige wegen mittelbarer Falschbeurkundung, Hinwirken auf eine Aufhebung der Flüchtlingsanerkennung durch das Bundesamt, Aufhebung des dem Iraker erteilten Aufenthaltstitels - keinen Gebrauch gemacht.
Stattdessen habe es die Ausländerbehörde so hingenommen dass die auf die Aufenthaltsdauer bezogenen Voraussetzungen der Einbürgerung erfüllt worden seien. Die Einbürgerungsbehörde sei hieran dann auch gebunden.
mgö/LTO-Redaktion
Weil die Ausländerbehörde keine Konsequenzen zog: . In: Legal Tribune Online, 02.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23107 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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