Auftakt eines Mammutverfahrens: Das BVerwG muss über sieben Klagen gegen den Bau eines 18 Kilometer langen Tunnels für Züge und Autos durch das Naturschutzgebiet Fehmarnbelt entscheiden.
Eines der größten Infrastrukturprojekte in Europa ist zu einem Fall für das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) geworden. Die Leipziger Richter verhandeln seit Dienstag die ersten von insgesamt sieben Klagen gegen das deutsch-dänische Milliardenprojekt eines Ostseetunnels im Fehmarnbelt zwischen Deutschland und Dänemark. Zum Auftakt der mündlichen Verhandlung über Klagen zweier Umweltverbände und mehrerer Fährunternehmen ging es vor allem um prozessuale Fragen (Az. BVerwG 9 A 7.19).
Der 9. Senat hat bis zu sieben Verhandlungstage für die ersten Klagen eingeplant. "Wir haben hier eine Fülle von Fragen zu besprechen", sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Bier. Zu den Umweltauswirkungen und den Verkehrsprognosen sollen zahlreiche Sachverständige gehört werden. Er werde versuchen, die verschiedenen Punkte möglichst kurz anzusprechen.
Bedenken äußerte das Gericht zur Zulässigkeit der Klage der Reederei AB Nordö-Link. Das Unternehmen betreibt eine Fährverbindung zwischen Travemünde und Malmö, in einiger Entfernung vom geplanten Tunnel. Die Frage ist, inwieweit Rechte der Reederei durch das Projekt verletzt werden. Sicher gebe es "mittelbare Auswirkungen", aber es müsse eine Grenze geben, wer klagebefugt ist. "Wir haben Bedenken, dass die Grenze hier eingehalten ist", sagte Bier.
BVerwG verhandelt in Leipziger Kongresshalle
Wegen der Pandemie verhandelt der Senat nicht im historischen Gerichtsgebäude, sondern in der Kongresshalle in Leipzig. Nur so waren die 160 Beteiligten und die Zuschauer gemäß den Hygienevorgaben unterzubringen. Vor Beginn protestierten Umweltschützer am Dienstagmorgen gegen den umstrittenen Tunnelbau. Das Bündnis Beltretter forderte auf Transparenten einen Stopp des Projekts.
Der 18 Kilometer lange Ostseetunnel soll Puttgarden auf Fehmarn und Rødby auf Lolland verbinden. Deutschland und Dänemark haben das Projekt in einem Staatsvertrag festgeschrieben. Durch den Tunnel am Meeresgrund sollen sowohl Autos als auch Züge fahren, was die Fahrzeiten und -wege erheblich verkürzen würde. Gebaut und betrieben würde der Tunnel von Dänemark. Die dänische Projektgesellschaft Femern A/S bezifferte die Kosten für den umstrittenen Bau auf 7,1 Milliarden Euro - gerechnet mit dem Preisniveau von 2016. Für den Tunnelabschnitt in Dänemark besteht schon seit 2015 Baurecht.
Deutschland trägt nur die Kosten für den Ausbau der Hinterlandanbindung und den Ersatz der Fehmarnsundbrücke, die Schleswig-Holsteins Festland mit der Ostseeinsel verbindet. Die Bahn beziffert die Kosten auf 3,5 Milliarden Euro - inklusive 1,1 Milliarden Risikopuffer.
Umweltschützer fürchten Folgen für Naturschutzgebiet
Doch die Trasse verläuft durch das Naturschutzgebiet Fehmarnbelt. Umweltschützer fürchten Gefahren für Schweinswale, Seehunde und artenreiche Riffe. Der Naturschutzbund Nabu und das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung sehen gravierende Auswirkungen auf das Meeresschutzgebiet Fehmarnbelt sowie benachbarte Vogelschutzgebiete.
Zudem bezweifeln sie grundsätzlich den Verkehrsbedarf des Milliardenprojekts. Vor allem die geplante Autobahn unter der Ostsee hält der Nabu für unnötig und in Zeiten des Klimawandels auch nicht mehr für angebracht. Die Fährunternehmen fürchten den Verlust von Arbeitsplätzen. Der Nabu hat knapp 100.000 Unterschriften gegen das aus seiner Sicht überdimensionierte Projekt gesammelt.
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) verweist dagegen auf weitreichende wirtschaftliche Effekte. "Das ist eines der zentralen europäischen Projekte, die für Skandinavien so entscheidend von Bedeutung sind und auch für unser Land eine unglaubliche Chance bieten, wirtschaftlich noch einmal zusätzliche Prosperität und Wachstum zu erzeugen."
Wann das BVerwG ein Urteil sprechen wird, ist noch offen. In der Regel legt der Senat am Ende der mündlichen Verhandlung einen Verkündungstermin fest.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Verhandlungsauftakt vor dem BVerwG: . In: Legal Tribune Online, 22.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42871 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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