Seit 2013 streitet sich ein Sikh-Anhänger mit den deutschen Gerichten. Nun hat das BVerwG endgültig entschieden: Von der Helmpflicht beim Motorradfahren wird auch aus religiösen Gründen grundsätzlich nicht abgewichen.
Der jahrelange Streit zwischen der Stadt Koblenz und einem Sikh-Anhänger ist nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) entschieden. Obwohl der Mann zum Motorradfahren seinen Turban abnehmen muss, damit er einen Helm aufsetzen kann, komme eine Befreiung von der Helmpflicht aus religiösen Gründen nicht in Betracht, so die Entscheidung der Leipziger Richter (Urt. v. 04.07.2019, Az. BVerwG 3 C 24.17).
Bereits im Jahr 2013 beantragte der Mann bei der Stadt Koblenz, ihm eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, mit der er von der Pflicht zum Tragen eines Schutzhelms beim Motorradfahren befreit wird. Als Argument führte er an, die Schutzhelmpflicht aus § 21 a Abs. 2 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) verletze ihn als gläubigen Sikh in seiner grundrechtlich geschützten Religionsfreiheit, da er verpflichtet sei, einen Turban zu tragen und jeder Helm zu klein sei, um ihn über dem Turban aufzusetzen.
Die Stadt lehnte den Antrag jedoch ab und verwies auf § 46 Abs. 1 Nr. 5b StVO, wonach eine solche Ausnahme nur aus gesundheitlichen Gründen gemacht werden könne. Auch das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG) wies den Mann darauf hin, dass eine Befreiung von der Helmpflicht aus religiösen Gründen nicht möglich sei.
Ganz so einfach sei die Angelegenheit aber nicht, wie die Richter des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg (VGH) im Rahmen der Berufung feststellten. Ihrer Meinung nach seien auch religiöse Gründe grundsätzlich geeignet, um eine Ausnahme von der Helmpflicht beantragen zu können. Dabei müsse aber das Interesse desjenigen überwiegen, der sich auf die Religionsfreiheit beruft. Im Rahmen der Abwägung müsse berücksichtigt werden, dass die Helmpflicht auch andere Straßenverkehrsteilnehmer schützen soll. Nach dem Urteil des VGH musste die Stadt Koblenz also erneut über die Ausnahmegenehmigung entscheiden. Doch auch bei der erneuten Entscheidung hatte der Sikh-Anhänger das Nachsehen, weshalb der Fall bis nach Leipzig gelangte.
BVerwG: Helm schützt auch andere, keine anderen besonderen Gründe
Dort unterlag der Mann auch im Rahmen der Revision vor dem BVerwG mit seinem Anliegen. Nach Ansicht der obersten Verwaltungsrichter greife die Schutzhelmpflicht zwar in die Religionsfreiheit des Mannes ein, weil er dadurch auf die für ihn als verbindlich empfundene Pflicht, einen Turban zu tragen, verzichten muss. Der Eingriff sei jedoch aufgrund anderer verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter gerechtfertigt.
Denn durch die Schutzhelmpflicht würden nicht nur die Motorradfahrer selbst geschützt, sondern - wie auch der VGH bereits treffend festgestellt habe - andere Verkehrsteilnehmer. So könnten diese nach Ansicht des BVerwG etwa durch den Unfalltod oder durch den Eintritt schwerer Verletzungen bei einem nicht mit einem Schutzhelm gesicherten Motorradfahrer traumatisiert werden. Zudem sei ein mit Helm ausgestatteter Motorradfahrer eher in der Lage, an einer Unfallstelle Ersthilfe zu leisten.
Ein Anspruch auf Befreiung von der Helmpflicht könne daher allenfalls dann bestehen, wenn dem Mann der Verzicht auf das Motorradfahren aus besonderen Gründen nicht zugemutet werden kann. Solche Gründe liegen nach Ansicht des BVerwG aber auch deshalb nicht vor, weil der Mann zusätzlich über einen Führerschein für ein Auto verfügte.
tik/LTO-Redaktion
BVerwG zur Religionsfreiheit: . In: Legal Tribune Online, 04.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36297 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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