Islamistische Gefährder dürfen nach Tunesien und in die Türkei abgeschoben werden. Nötig sind allerdings vorherige Zusicherungen der Zielländer, entschied das BVerwG.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat erneut die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz gegen die Abschiebung von zwei islamistischen Gefährdern, dem Tunesier Haikel S. und einem Türken, abgelehnt (Beschl. v. 19.09.2017, Az. 1 VR 7.17 u. 1 VR 8.17). Der 1. Revisionssenat wies die gegen den Vollzug ihrer Abschiebung gerichteten Begehren in einer am Donnerstag bekannt gewordenen Entscheidung zurück. Das BVerwG ist in Fällen einer Abschiebungsanordnung nach § 58a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erstinstanzlich zuständig.
Die Betroffenen, ein 36-jähriger Tunesier und ein Türke, wurden im Februar bzw. März 2017 verhaftet. Die zuständigen Innenministerien in Nordrhein-Westfalen und Hessen hatten im Juni bzw. im August 2017 die Abschiebung nach § 58a AufenthG angeordnet. Nach der Regelung ist dies bei einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr möglich.
Beide Ministerien begründeten ihre Anordnungen damit, dass die Ausländer als '"Gefährder" der radikal-islamistischen Szene in Deutschland zuzurechnen seien. Sie identifizierten sich mit dem "Islamischen Staat" (IS) und es bestünde das Risiko der Begehung einer terroristischen Tat, das sich jederzeit realisieren könne.
Beachtliches Risiko reicht aus
Das BVerwG hat auf der Grundlage der vorgelegten Erkenntnismittel diese Prognose der beiden Ministerien als gerechtfertigt angesehen. Dafür sei in den Fällen des § 58a AufenthG ein beachtliches Risiko ausreichend. Damit könnten die Betroffenen schon vor der Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache abgeschoben werden.
Haikel S. wird auch in Tunesien wegen Terrorverdachts gesucht, er befindet sich in Abschiebehaft. Die Leipziger Richter haben seine Abschiebung aber von einer Zusicherung der tunesischen Regierung abhängig gemacht: Diese müsse erklären, dass dem Betroffenen im Fall der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe die Möglichkeit der Überprüfung der Strafe mit der Aussicht auf Herabsetzung der Haftdauer gewährt wird.
Im Fall des türkischen Staatsangehörigen soll die Türkei zusichern, dass im Fall seiner Verhaftung in der Türkei die dortigen Haftbedingungen den europäischen Mindeststandards entsprechen und er Besuche von diplomatischen oder konsularischen Vertretern der Bundesrepublik Deutschland erhalten darf.
Das BVerwG hatte auch bei Göttinger Gefährdern die Abschiebung als rechtmäßig erachtet. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits zu einem Gefährder aus Algerien entschieden, dass die Regelung des § 58a AufentG verfassungskonform sei. Die Norm hatte Debatten ausgelöst, weil sie lediglich auf eine Prognose abstellt. Zuletzt hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die Abschiebung eines Bremer Gefährders vollzogen werden dürfe. Die Enscheidung in der Hauptsache steht allerdings aus.
Tanja Podolski, Kein vorläufiger Rechtschutz für Gefährder: . In: Legal Tribune Online, 21.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24643 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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