Der Familiennachzug zum subsidiär schutzberechtigten Ehemann ist grundsätzlich erst nach vier Jahren der Trennung möglich. Dass der Ehemann gute Sprachkenntnisse, zwei Jobs und eine Wohnung hat, ändert daran nichts, so das BVerwG.
Hat eine geflüchtete Person nach ihrer Flucht eine Ehe geschlossen, kann der Ehegatte grundsätzlich erst vier Jahre nach der Trennung eine Aufenthaltserlaubnis im Rahmen des Ehegattennachzugs bekommen. Diese Trennungszeit verkürzt sich nicht, wenn der Lebensunterhalt in Deutschland gesichert und ausreichend Wohnraum vorgehalten werde. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden (Urt. V. 24.10.2024, Az. 1 C 17.23).
Die Klägerin und ihr Ehemann sind syrische Staatangehörige. Sie waren noch unverheiratet in den Libanon geflüchtet und heirateten während eines Kurzaufenthaltes in Syrien im Jahr 2019. Der Mann flüchtete 2020 allein nach Deutschland und bekam im Februar 2021 den subsidiären Schutzstatus. Er machte erfolgreich einen Integrations- sowie einen Sprachkurs, arbeitet Vollzeit, geht zudem einer geringfügigen Beschäftigung nach und lebt in einer 50 Quadratmeter großen Wohnung.
Der Antrag auf Visumserteilung für den Familiennachzug lehnte die deutsche Botschaft in Beirut dennoch ab, weil die Ehe nach der Flucht geschlossen worden war. In dem Fall ist der Familiennachzug nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG grundsätzlich für mindestens vier Jahre ausgeschlossen, § 36 Abs. 3 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), wenn keine besonderen Umstände vorliegen.
Auf die Klage der Ehefrau erkannte das Verwaltungsgericht (VG) Berlin derartige atypische Fluchtumstände an: Die regelmäßig geforderte Trennungsfrist sei keine starre Regel und die Eheleute bereits seit immerhin drei Jahren getrennt. Daher müssten die Integrationsleistungen und die Tatsache, dass der Ehemann seine Frau durch seine Arbeitsstellen selbst versorgen und in seiner Wohnung unterbringen kann, berücksichtig werden, so das VG.
"Migrationstypische Sachverhalte" kein Grund für Ausnahme
Das BVerwG sieht das anders. Auf die Sprungrevision hat das Gericht betont, dass bei den Eheschließungen nach der Flucht eine vierjährige Trennungszeit abgelaufen sein müsse. Und auch dann liegt der Familiennachzug im Ermessen der Behörden, einen Anspruch darauf haben subsidiär Schutzberechtigte generell nicht, § 36a Abs. 1 S. 3 AufenthG.
Im Fall des syrischen Ehepaares liege keine Ausnahme von diesem Regelausschluss vor, so das BVerwG. Denn die könnten nur bei besonderen, atypischen Umständen im Einzelfall greifen. Diese müssten so relevant sein, dass der Zeitpunkt der Eheschließung ausnahmsweise nicht mehr ausschlaggebend ist. Dafür reiche es nicht aus, dass der Ehemann Jobs und eine Wohnung hat. Das sind nach dem BVerwG eher übliche Entwicklungen nach der Anzahl von Jahren in Deutschland, so genannte migrationstypische Sachverhalte. Diese dürften aber beim Ermessen für die Prüfung einer Ausnahme von dem Regelausschluss nicht berücksichtigt werden.
Der Entscheidung des BVerwG liegt das gesetzliche gefasste Ziel zugrunde, Eheschließungen nicht zu berücksichtigen, die lediglich mit dem Ziel geschlossen wurden, über die Regelungen des Familiennachzugs die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. Die Wartefrist von vier Jahren soll dabei noch den grundrechtlichen Vorgaben des Schutzes von Ehe und Familie aus Art. 6 Grundgesetz genüge tun. In besonderen Härtefällen, wie etwa gesundheitliche Probleme eines Ehegatten oder eine besondere atypische Fluchtsituation, können die Behörden ihr Ermessen ausüben und von dieser Regelfrist abweichen.
tap/pdi/LTO-Redaktion
BVerwG zur Eheschließung nach der Flucht: . In: Legal Tribune Online, 29.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55706 (abgerufen am: 30.10.2024 )
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