Zum Schutz vor möglichen Terroranschlägen haben mehrere Bundesländer die Abschiebung islamistischer Gefährder angeordnet. Zwei niedersächsische Entscheidungen hat nun das BVerwG bestätigt.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am Dienstag die Klagen von zwei salafistischen Gefährdern gegen Abschiebungsanordnungen des Niedersächsischen Innenministeriums abgewiesen (Urt. v. 22.08.2017, Az. 1 A 2.17 und 1 A 3.17). Das Ministerium hatte im Februar 2017 die Abschiebung eines Algeriers und eines Nigerianers gemäß § 58a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) angeordnet. Nachdem deren Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz bereits abgelehnt worden waren, wurden die in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Männer abgeschoben.
Das bei Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG in erster und letzter Instanz zuständige BVerwG hat die Anordnungen am Dienstag als rechtmäßig bestätigt. Die umstrittene Vorschrift besagt, dass "gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen" werden kann.
Die Möglichkeit einer Abschiebung nach dieser Regelung besteht in Deutschland schon seit 2005. Die Bundesländer haben jedoch erst nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt begonnen, sie auch wahrzunehmen. Bundesweit sind bisher rund zehn Abschiebungen angeordnet worden. Beim Bundesverwaltungsgericht sind sieben Klagen dagegen eingegangen.
Prognose: Terrorist
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nahm die Verfassungsbeschwerden der beiden Salafisten im Juni nicht zur Entscheidung an und entschied, dass die Regelung des § 58a mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Insbesondere der vom BVerwG angelegte Maßstab, wonach es für die Abschiebungsanordnung keine konkrete Gefahr, sondern eine "auf Tatsachen gestützte Gefahrenprognose einer Bedrohungslage, bei der sich das vom Ausländer ausgehende Risiko einer sicherheitsgefährdenden oder terroristischen Tat jederzeit aktualisieren und in eine konkrete Gefahr umschlagen kann" brauche, wurde von Karlsruhe bestätigt.
Im August hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Abschiebung eines als Gefährder eingestuften Mannes aus Dagestan vorläufig gestoppt. Das ist aber keine Sachentscheidung, weil die Straßburger Richter im einstweiligen Rechtsschutz weder über die Begründheit noch auch nur über die Zulässigkeit der Beschwerde entscheiden.
Die Anwälte des Algeriers und des Nigerianers, über deren Klagen am Dienstag das BVerwG entschieden hat, machten geltend, von ihren Mandanten gehe keine Gefahr aus. Ihre Äußerungen zu Gewalttaten seien nicht ernst gemeint oder von den Behörden überinterpretiert worden. Der Senat ging hingegen davon aus, dass beide seit längerem in der radikal-islamistischen Szene in Deutschland verankert seien, mit dem IS sympathisierten und mehrfach Gewalttaten unter Einsatz von Waffen angekündigt hätten. Das reichte den Leipziger Richtern aus.
Auch ein Abschiebeverbot wegen drohender Folter oder menschenunwürdiger Behandlung verneinten sie. Im Fall des Algeriers hatten die Richter die Abschiebung zunächst von der Zusicherung einer algerischen Regierungsstelle abhängig gemacht, dass ihm keine derartigen Gefahren drohen. Die dortigen Behörden bestätigten aber, ihn wegen seines Verhaltens in Deutschland nicht als Terrorist zu behandeln.
Das niedersächsische Innenministerium hatte gegen die beiden Männer auch noch ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt. Über die Rechtmäßigkeit dieser Verfügung muss das Verwaltungsgericht Göttingen entschieden.
pl/acr/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
Islamistische Gefährder: . In: Legal Tribune Online, 22.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24083 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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