FragDenStaat und die GFF waren vor dem BVerwG erfolgreich. Sie bekommen die begehrten Protokolle des BMF-Beirats – eine interne Satzung kann dem nicht entgegenstehen, so das BVerwG.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) muss die Sitzungsprotokolle seines wissenschaftlichen Beirats auf Anfrage in anonymisierter Form herausgeben. Daran ändert auch eine interne Satzung des Beirats nichts, wonach die Beratungen nicht öffentlich sind und die Zusammenarbeit auf Vertraulichkeit beruht. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) stellte klar, dass es für die Herausgabe der Informationen allein auf die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) ankommt (BVerwG, Urt. v. 5.5.2022, Az.10 C 1.21).
Geklagt hatte der Politikwissenschaftler Moritz Neujeffski, unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und FragDenStaat. Beide Organisationen verfolgen strategische Klagen, um Informationsrechte durchzusetzen. Neujeffski befasst sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Einfluss externer Berater im Politikbetrieb. "Der Beirat gilt als das ‚wissenschaftliche Gewissen‘ des Finanzministeriums. Wie groß dessen Einfluss ist und wie dessen Mitglieder berufen werden, ist nach wie vor unklar." Ohne Einblick in die Protokolle seien wichtige politische Entscheidungen nicht nachvollziehbar.
Dem Beirat gehören 32 Professorinnen und Professoren an deutschen Universitäten an - darunter 27 Männer und fünf Frauen. Sie sollen den Bundesfinanzminister in allen Fragen der Finanzpolitik unabhängig beraten. Der Beirat kann dem BMF zuarbeiten, aber auch weitgehend eigenständig Gutachten zu ausgesuchten Themen erstellen.
Es kommt auf das IFG an, nicht auf die interne Satzung
Das BMF lehnte Neujeffskis Antrag auf Herausgabe der Protokolle ab. Er klagte daraufhin vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin und bekam weitgehend Recht. Auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hielt den Auskunftsanspruch für berechtigt.
Der Vorsitzende des 10. Senats, BVerwG-Vizepräsident Prof. Dr. Andreas Korbmacher, betonte bei der Verkündung des Urteils, dass es allein auf die Regelungen des IFG ankomme. "Sinn und Zweck des IFG ist es, Zugang zu Informationen zu gewähren", so Korbmacher. Der Informationszugang werde dabei zwar zugleich durch Ausnahmetatbestände begrenzt. Das auszugestalten, sei aber eben Sache des Gesetzgebers: "Es würde sich mit dem Sinn und Zweck und der Systematik des IFG nicht vertragen, wenn die jeweilige Behörde in der Lage wäre, den Zugang zu Informationen durch interne Regelungen zu begrenzen."
Ausschlussgründe stünden dem Anspruch Neujeffskis nicht entgegen, so das BVerwG. Insbesondere begründe die Satzung des Beirats als bloßes Binnenrecht kein besonderes Amtsgeheimnis im Sinne des § 3 Nr. 4 IFG. Auch § 3 Nr. 3a IFG, wonach Auskunftsverlangen abgelehnt werden können, wenn Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden, greife hier nicht. Das OVG habe bereits festgestellt, dass keine Beeinträchtigung vorläge.
Das BMF muss die Sitzungsprotokolle in anonymisierter Form zur Verfügung stellen. Neujeffski, FragDenStaat und GFF hatten zunächst auch beantragt, Anhänge zu den Protokollen zu erhalten. Das war aber nicht mehr Gegenstand des Verfahrens – hier stehen Urheberrechte entgegen.
Rechtsanwalt David Werdermann, der das Verfahren für die GFF koordiniert hat, ist dennoch sehr zufrieden: "Staatliche Stellen versuchen immer wieder mit fadenscheinigen Begründungen, ihre Transparenzpflichten zu umgehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass das Grundrecht auf Informationsfreiheit auch nicht durch eine vom Beirat selbst erlassene Satzung ausgehebelt werden kann." Das Verfahren könne auch auf Auskunftsersuchen bei anderen Behörden Auswirkungen haben, für die nun ebenfalls klargestellt sei, dass es allein auf die Regelungen des IFG ankomme.
BVerwG zum Informationsfreiheitsgesetz: . In: Legal Tribune Online, 05.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48357 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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