BVerfG: Urteil des BSG zur Beitragserhebung von Kranken- und Pflegeversicherung kassiert

von plö/ LTO-Redaktion

15.10.2010

Das BVerfG hat sich in zwei unterschiedlich gelagerten Fällen mit der Frage befasst, ob die Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auch bei Leistungen aus einer vom Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers abgeschlossenen Kapitallebensversicherung verfassungskonform ist, wenn deren Prämien teilweise vom Arbeitnehmer selbst entrichtet wurden.

Bei den Beschwerdeführer handelte es sich um Rentner. Zu deren Gunsten hatte ihr jeweiliger Arbeitgeber Ende der 70-er beziehungsweise Mitte der 80-er Jahre eine Betriebsrente im Wege der Direktversicherung als Kapitallebensversicherung abgeschlossen und zunächst selbst die Versicherungsbeiträge an den Versicherer entrichtet; im Verfahren 1 BvR 739/08 führte der Arbeitgeber die Prämien direkt aus dem sozialversicherungspflichtigen Gehalt des Beschwerdeführers ab.

In beiden Fällen übernahmen die Beschwerdeführer
nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis die Prämienzahlung an
den Versicherer. Während im Verfahren 1 BvR 739/08 der frühere
Arbeitgeber Versicherungsnehmer blieb, übertrug im Verfahren 1 BvR
1660/08 der Arbeitgeber alle Rechte aus dem Versicherungsvertrag auf den
Beschwerdeführer als neuen Versicherungsnehmer.

Nach der Auszahlung der einmaligen Kapitalleistung aus der
Lebensversicherung an die Beschwerdeführer setzte die Krankenkasse in
beiden Fällen hierauf monatliche Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge fest, wobei auch der durch eigene Prämienzahlung der Beschwerdeführer erwirtschaftete Anteil einbezogen wurde. Die gegen die Beitragserhebung gerichteten Klagen der Beschwerdeführer blieben vor den Sozialgerichten ohne Erfolg.

Im erstgenannten Verfahren nahm das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verfassungsbeschwerde mangels Grundrechtsverletzung nicht zur Entscheidung an. Hingegen stellten die Richter im Verfahren 1 BvR 1660/08 fest, dass die angegriffenen Entscheidungen gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Sie hoben das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) auf und verwiesen die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

Nach Auffassung des Senats überschreite das BSG die Grenzen zulässiger Typisierung und verstoße damit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, soweit auch diejenigen Kapitalleistungen der Beitragspflicht unterworfen würden, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt habe.

Denn mit der Vertragsübernahme durch den Arbeitnehmer sei der Kapitallebensversicherungsvertrag vollständig aus dem betrieblichen Bezug gelöst worden und unterscheide sich hinsichtlich der dann noch erfolgenden Einzahlungen nicht mehr von anderen privaten Lebensversicherungen. Soweit das BSG die Einzahlungen auf private Lebensversicherungsverträge allein deshalb der Beitragspflicht Pflichtversicherter unterwerfe, weil die Verträge ursprünglich vom Arbeitgeber des Bezugsberechtigten abgeschlossen wurden und damit dem Regelwerk des Betriebsrentenrechts unterlägen, widerspreche es der gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung, die private Altersvorsorge beitragsfrei zu stellen.

Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz sei vorliegend intensiv, weil die
Beitragsbelastung mit dem vollen Beitragssatz zur gesetzlichen
Krankenversicherung erheblich sei. Ein Umgehungsproblem zulasten der
Krankenversicherung der Rentner bestehe nicht. Denn der Gesetzgeber des
Betriebsrentengesetzes verfolge mit dem Fortsetzungsrecht des
Arbeitnehmers explizit den Zweck, einen Anreiz zur Eigenvorsorge in
Ergänzung der betrieblichen Altersversorgung zu setzen (Beschl. v. 06. und 28.09.2010, 1 BvR 739/08 und 1 BvR 1660/08).

Zitiervorschlag

BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 15.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1728 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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