BVerfG zum Steuerrecht: Steu­er­pri­vi­le­gien für Gewinn­ein­künfte in 2007 ver­fas­sungs­widrig

12.01.2022

Das Steueränderungsgesetz 2007 begünstigte Gewinneinkünfte gegenüber Überschusseinkünften in rechtswidriger Weise, so das BVerfG. Der Gesetzgeber muss nun eine rückwirkende Neuregelung erarbeiten.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat entschieden, dass die Privilegierung von Gewinneinkünften durch manche Regelungen im Steueränderungsgesetz 2007 und im Jahressteuergesetz 2007 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar ist (Beschl. v. 08.12.2021, Az. BvL1/13)

Durch das Steueränderungsgesetz 2007 wurde für Einkünfte über 250.000 Euro (beziehungsweise 500.000 Euro bei Ehegatten) der  Spitzensteuersatz von 42 Prozent auf 45 Prozent erhöht. Von dieser Erhöhung wurden allerdings Gewinneinkünfte - also beispielsweise Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb und Forstwirtschaft - ausgenommen. Der Spitzensteuersatz von 45 Prozent hatte daher nur Bezieher von Überschusseinkünften getroffen. Solche sind Einkünfte aus nicht selbstängiger Arbeit oder etwa auch Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen. 

Ein Ehepaar fühlte sich durch diese Regelung benachteiligt, denn der Ehemann hatte als Geschäftsführer einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von mehr als 1,5  Millionen Euro für das betreffende Steuerjahr erzielt. Dieses Geld unterfiel dem Spitzensteuersatz von 45 Prozent, weil für seine Einnahmen nicht der priviligierte Steuersatz von 42 Prozent galt. Mit der Klage vor dem Finanzgericht hatte das Ehepaar geltendgemacht, diese steuerliche Benachteiligung der Überschusseinkünfte gegenüber den Gewinneinkünften verstoße gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

Das für den Fall zuständige Finanzgericht Düsseldorf hatte das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob eine auf Gewinneinkünfte beschränkte Begrenzung des Einkommensteuertarifs für das Jahr 2007 mit dem Grundgesetzvereinbar sei.

Koalitionsvertrag von damals kann Steuerreform nicht erörtern

Das BVerfG bejahte eine Ungleichbehandlung, da die Bezieherinnen und Bezieher von Überschusseinkünften 2007 einem Steuersatz von 45 und nicht 42 Prozent unterlagen. Zwar könne ein Rechtfertigungsgrund für diese Ungleichbehandlung in der Verfolgung von Förder- und Lenkzwecken liegen, so wie es der Gesetzgeber beabsichtigt habe, führte das Gericht aus. Allerdings müssten diese Zwecke in einem Gesetz hinreichend bestimmt sein oder jedenfalls von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen werden. In den Gesetzesmaterialien genannte vage Zielsetzungen seien nicht ausreichend, um Abweichungen von einer leistungsgerechten Besteuerung zu rechtfertigen.

Nach Auffassung des BVerfG geht aus solchen genannten Materialien aber gerade nicht hervor, warum Gewinneinkünfte privilegiert werden sollten. Lediglich die Koalitionsvereinbarung aus dem Jahr 2005 zeige die Grundtendenz, Unternehmen angesichts der damals geplanten Unternehmenssteuerreform zu entlasten. Doch das könne im konkreten Fall keine Steuerprivilegien für Gewinneinkünfte rechtfertigenn. Das BverfG hat an dieser Stelle offen gelassen, ob ein Koalitionsvertrag überhaupt eine gesetzgeberische Begründung nach den genannten Maßstäben sein kann.

Unternehmerisches Risiko rechtfertigt keine Steuerprivilegierung

Außerdem sei das vom Gesetzgeber für die Ungleichbehandlung herangezogene unternehmerische Risiko als Argument kein sachlich einleuchtender Grund für die Differenzierung zwischen Gewinn-und Überschusseinkünften. Zwar trügen die Bezieherinnen und Bezieher von Gewinneinkünften ein Unternehmensrisiko. Risiken bei der Einkünfteerzielung könnten aber gleichermaßen bei den Überschusseinkünften entstehen, wie etwa bei Kapital- oder Vermietungseinkünften.

Es komme hinzu, dass ein Unternehmensrisiko im Einkommensteuerrecht grundsätzlich erst steuermindernd berücksichtigt werde, wenn es sich realisiert hat. Das nur abstrakte unternehmerische Risiko – ebenso wie nur abstrakte besondere unternehmerische Chancen – blieben dabei außen vor. Entscheidend sei das tatsächlich aus einer Tätigkeit Erwirtschaftete. Die Art der Einküfte deshalb vorab pauschal zu privilegieren, sei daher rechtswidrig.

Die Priveligierung der Gewinneinkünfte, wie sie durch die Gesetze 2007 vorgesehen war, ist damit nach Auffassung der Karlsruher Richterinnen und Richter verfassungswidrig gewesen. Der Gesetzgeber muss nun spätestens bis zum 31.Dezember 2022 rückwirkend für das Veranlagungsjahr 2007 eine Neuregelung schaffenn.

cp/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG zum Steuerrecht: . In: Legal Tribune Online, 12.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47181 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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