Schlappe für den Blutspendedienst des DRK: Er mag gemeinnützig sein und damit steuerlich besser gestellt als andere. Ein Tendenzbetrieb, der die betriebliche Mitbestimmung einschränken kann, ist er aber nicht, sagt auch das BVerfG.
Klare Worte aus Karlsruhe: "Die Nichtanerkennung eines Blutspendedienstes als karitativer Tendenzbetrieb ist mit der Verfassung vereinbar". Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat die entsprechende Verfassungsbeschwerde des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) gegen den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschl. v. 22.05.2012, Az. 1 ABR 7/11) nicht einmal zur Entscheidung angenommen. Das hat das Gericht am Mittwoch bekannt gegeben.
Das BAG hatte die Tendenzeigenschaft des DRK im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verneint. Das BVerfG bestätigte nun: Die enge Auslegung des Begriffs "karitativ" durch das BAG, wonach der Dienst den leidenden Menschen direkt zugutekommen muss, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Beschl. v. 30.04.2015, Az. 1 BvR 2274/12).
Blutspendedienst nicht primär religiös oder weltanschaulich
Was ein Tendenzbetrieb ist, regelt § 118 BetrVG. Es sind Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend entweder politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen. Auf diese finden die Regelungen des BetrVG nur Anwendung, wenn die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem nicht entgegensteht. Die betriebliche Mitbestimmung kann bei Vorliegen eines Tendenzbetriebes ganz oder teilweise ausgeschlossen werden.
Nicht so beim Blutspendedienst des DRK. Das BVerfG entschied, dass schon eine Verletzung von Art. 4 Abs. 1 und 2 Grundgesetz (GG) nicht substantiiert dargelegt sei. Weder seien Anhaltspunkte dafür vorgetragen noch seien sie sonst wie ersichtlich, dass der Blutspendedienst als Einrichtung einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft tätig werde. Zwar werde der Dienst von einer übergreifend karitativ-humanitären Bestimmung geleitet. Eine religiöse oder weltanschauliche Dimension sei jedoch kein bestimmendes Element ihrer Tätigkeit.
Mitbestimmungspflicht entfällt nur in Ausnahmefällen
Auch Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot sei nicht verletzt. Denn gegen den Gleichheitssatz werde nicht bereits dann verstoßen, wenn die angegriffene Rechtsanwendung eines Fachgerichts fehlerhaft ist. Hinzukommen müsse vielmehr, so die Kammer, dass die Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht.
Die enge Auslegung des Merkmals der karitativen Tätigkeit durch das BAG sei anerkannten Grundsätzen gefolgt, denn die Regelung normiere eine Ausnahme von der gesetzgeberischen Entscheidung zugunsten betrieblicher Mitbestimmung. Es sei insofern nicht zu beanstanden, wenn das BAG davon ausgeht, die Ausnahme von der Mitbestimmung greife nur, wenn bei einer karitativen Tätigkeit der Dienst an leidenden Menschen direkt erbracht wird. Auch spezielle Freiheiheitsrechte zwängen hier nicht zu einer Ausnahme von der betrieblichen Mitbestimmung.
Keine unzumutbare Einschränkung der Berufsfreiheit
Schließlich stellt das BVerfG noch fest, dass auch kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG vorliegt. Die im BetrVG normierte Mitbestimmung sei mit Blick auf den sozialen Bezug des Unternehmerberufs, der nur mit Hilfe anderer ausgeübt werden könne, durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Vorliegend fehlten jedwede Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin durch die Bildung eines Wirtschaftsausschusses in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde.
Der Blutspendedienst des DRK wird in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführt, ist steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannt und den internationalen Grundsätzen der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung verpflichtet. Das gesammelte menschliche Blut wird vom Blutspendedienst medizinisch getestet, aufbereitet und anschließend entgeltlich an Krankenhäuser oder Ärzte abgegeben.
In dem Streit zwischen Unternehmen und Gesamtbetriebsrat war es um die Bildung eines Wirtschaftsausschusses gegangen. Der Blutspendedienst ist nun verpflichtet, einen solchen zu bilden.
tap/LTO-Redaktion
BVerfG bestätigt BAG: . In: Legal Tribune Online, 17.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15900 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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