Presseorgane dürfen nicht durchsucht werden, wenn es vorrangig um Straftaten von Informanten geht. Durchsuchungen der Räume der Berliner Morgenpost und der Privatwohnung eines Journalisten waren daher verfassungswidrig. Das BVerfG schreibt Cicero fort.
Die Durchsuchung wäre nur gerechtfertigt gewesen, wenn es konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat eines Pressevertreters selbst geben hätte, entschied das Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) am Freitag. Durchsuchungen und Beschlagnahmungen in den Redaktionsräumen der Berliner Morgenpost und der Wohnungen des Journalisten waren daher rechtswidrig, so die Karlsruher Richter.
Das Landgericht Berlin hatte dies zuvor noch anders gesehen. Es hatte entschieden, dass die Durchsuchungen verhältnismäßig und mit der Pressefreiheit zu vereinbaren seien. Gegen diesen Beschluss wandten sich die Berliner Morgenpost und der betroffene Journalist mit ihren Verfassungsbeschwerden – und bekamen mit am Freitag veröffentlichten Entscheidungen in Karlsruhe Recht (Beschl. vom 13.07.2015, 1 BvR 1089/13, 1 BvR 1090/13, 1 BvR 2480/13).
Nach Ansicht der 3. Kammer des Ersten Senates dienten die Durchsuchungen nämlich vorrangig dazu, den Verdacht von Straftaten durch einen polizeilichen Informanten der Zeitung aufzuklären und nicht dazu, etwaigen Straftaten der Redaktion oder eines Journalisten nachzugehen. Das aber wäre zwingend notwendig gewesen, um die in der Durchsuchung eines Medienorgans liegende Beeinträchtigung der Pressefreiheit zu rechtfertigen.
Eine "konspirative" Honorarrechnung
Der Chefredakteur der Berliner Morgenpost, Carsten Erdmann, zeigte sich am Freitag erleichtert über den Karlsruher Richterspruch: "Wir haben von Anfang an und immer wieder betont, dass die Vorwürfe gegen unseren Reporter haltlos und die Durchsuchung in der Redaktion grob unverhältnismäßig und rechtswidrig waren. Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist ein großartiges Grundsatzurteil für alle Journalisten. Das lange Verfahren hat sich gelohnt."
"Gut, dass die Berliner Morgenpost sich so energisch zur Wehr gesetzt hat", begrüßte auch der Berliner Medienrechtler Prof. Niko Härting die Entscheidungen aus Karlsruhe.
Es war im November 2012, als die Privatwohnung und der Arbeitsplatz eines Journalisten in den Räumlichkeiten der Berliner Morgenpost von der Polizei durchsucht wurden. Dem Reporter wurde vorgeworfen, einen Polizeibeamten bestochen zu haben. Er war zuvor mit einem Polizeioberkommissar nach Amsterdam gereist, um über das Verschwinden zweier Kinder zu recherchieren. Der Polizist stellte später eine Rechnung über mehr als 3.000 Euro an die Chefredaktion mit dem Hinweis: "Wegen der Konspirativität in dieser Sache bitte ich um Barauszahlung."
Auf diese Rechnung stießen die Behörden im Rahmen von Ermittlungen gegen den Beamten wegen Geheimnisverrats. Zu diesem Zeitpunkt stand er bereits unter dem Verdacht, eine geplante Razzia der Berliner Polizei im Rockermilieu an den Journalisten weitergegeben zu haben. Über die bevorstehende Razzia hatte jedoch nicht die Berliner Morgenpost vorab berichtet, sondern ein mit der Zeitung nicht in Zusammenhang stehendes Online-Portal.
Diese Verdachtsmomente gegen den Polizeikommissar rechtfertigten, so das BVerfG, nicht die Durchsuchung der Redaktionsräume der Morgenpost und der Privatwohnung des Journalisten.
Erst Cicero, dann Morgenpost
Nur wenige Monate vor der Durchsuchung, zum 1. August im Jahr 2012, war in § 353b Abs. 3a Strafgesetzbuch (StGB) eindeutig geregelt worden, dass Beihilfehandlungen von Presseorganen zum Geheimnisverrat nicht rechtswidrig sind, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses beschränken.
Die Zahlung eines Honorars als Gegenleistung für den Verrat dienstlich erlangter Informationen könne zwar als Bestechung im strafrechtlichen Sinne einen Verdacht gegen Medienorgane begründen, allerdings seien die Durchsuchungen seinerzeit gerade nicht auf einen Verdacht gegen die Presseorgane selbst gestützt worden. Vielmehr sei es zumindest vorrangig darum gegangen, Verdachtsgründe gegen den Informanten zu finden. Ein bloß allgemeiner Verdacht, dass dienstliche Informationen an die Presse weitergegeben wurden, reiche aber nicht aus, um eine Durchsuchung in den Redaktionsräumen von Presseorganen zu rechtfertigen.
Medienrechtler Härting erstaunt "der laxe Umgang der Berliner Behörden und Gerichte mit der Pressefreiheit und dem Beschlagnahmeprivileg - und das trotz und nach dem Cicero-Fall". Die Entscheidung, mit der das BVerfG die Durchsuchung von Räumen des Magazins Cicero für verfassungswidrig erklärte, nachdem dieses aus einem geheimen Bericht des Bundeskriminalamts zitiert hatte, ist wegweisend für das Presserecht und die Bedeutung der Pressefreiheit in Deutschland.
Als konsequente Fortsetzung ebendieser Rechtsprechung des Senats aus dem Jahr 2007 betrachtet der Kölner Presserechtler Martin W. Huff die am Freitag veröffentlichten Karlsruher Beschlüsse. "Insbesondere müssen die Ermittlungsbehörden konkrete Anhaltspunkte für die Beteiligung von Journalisten an Straftaten haben. Allgemeine Vermutungen, die sich nur auf das Umfeld von Journalisten beziehen, reichen nicht aus."
Der Verdacht der Bestechung durch die Berliner Morgenpost erhärtete sich in der Folge im Übrigen nicht. Im Oktober 2014 wurde das Verfahren gegen die Redaktion und den Journalisten eingestellt. Allein die Bitte des Polizisten um Barzahlung wegen der "Konspirativität" der Reise nach Amsterdam hatte nicht ausgereicht. Der Beamte hatte sich während der Reisezeit dienstunfähig gemeldet. Es erscheine daher nicht fernliegend, dass er disziplinarrechtliche Konsequenzen wegen der falschen Krankmeldung und mangelnden Nebentätigkeitsgenehmigung befürchtet habe und daher um Barzahlung bat. Ein Verdacht gegenüber den Beschwerdeführern wegen Bestechung folge hieraus jedoch nicht, stellte auch das BVerfG fest.
mbr/pl/LTO-Redaktion
BVerfG stärkt Pressefreiheit: . In: Legal Tribune Online, 28.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16739 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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