Wer die "Kontrollübung Pistole" endgültig nicht besteht, kann kein Polizist werden. Dem Polizeianwärter darf allerdings nicht kategorisch der Rechtsweg gegen die Entlassung versagt werden, so das BVerfG.
Wenn die Ausbildung wegen endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung plötzlich endet, kann das für Betroffene einschneidende Konsequenzen haben. Die kategorische Versagung von einstweiligem Rechtsschutz kann daher verfassungswidrig sein. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe und gab der Verfassungsbeschwerde eines Polizeianwärters statt, der sich gegen seine Entlassung vor Gericht zu Wehr setzen wollte. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) habe sein Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt, so ein am Dienstag veröffentlichen Beschluss des BVerfG (Beschl. v. 09.06.2020, Az. 2 BvR 469/20).
Der Polizeianwärter absolvierte als Beamter auf Widerruf den Vorbereitungsdienst zum Erwerb der Laufbahnbefähigung der Fachrichtung Polizei. Allerdings hatte er die "Kontrollübung Pistole" endgültig nicht bestanden. Seine Hochschule teilte ihm daraufhin mit, dass sein Studium mit Ablauf des Tages der schriftlichen Bekanntgabe des endgültigen Nichtbestehens ende. Dagegen erhob der Mann Widerspruch und ersuchte gleichzeitig um verwaltungsrechtlichen Eilrechtsschutz mit dem Hauptantrag, die Hochschule zu verpflichten, ihm unter erneuter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf die Fortsetzung der Laufbahnausbildung vorläufig zu gestatten.
Gravierende und teils irreparable Nachteile
Das Sächsische OVG wollte ihm diesen jedoch nicht gewähren. Er habe gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 Säschisches Beamtengesetz (SächsBG) keinen Anspruch auf vorläufige Fortsetzung der Ausbildung. Auf die Rechtmäßigkeit beziehungsweise Bestandskraft der zugrundeliegenden Prüfungsentscheidung komme es für die Beendigung des Beamtenverhältnisses nicht an. Daher seien auch die Erfolgsaussichten der prüfungsrechtlichen Hauptsache und die dem Polizeianwärter entstehenden Nachteile im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens irrelevant, entschied das OVG. Die Laufbahnausbildung könne deshalb weder innerhalb noch außerhalb eines Beamtenverhältnisses auf Widerruf vorläufig fortgesetzt werden.
Der Auffassung des OVG, wonach eine einstweilige Anordnung selbst bei Eintritt existenzieller Nachteile nicht ergehen kann, erteilten die 1. Kammer des Zweiten Senats eine Absage. "Diese pauschale Rechtsschutzverweigerung fällt insbesondere in Fällen der vorliegenden Art besonders ins Gewicht, da die Beendigung des Beamten- und Ausbildungsverhältnisses grundsätzlich zu einer Ausbildungsverzögerung führt und dazu zwingt, Prüfungswissen und -fähigkeiten auf unbestimmte Zeit aufrecht zu erhalten", so das BVerfG in einer Mitteilung. Dem Polizeianwärter würden gravierende und teils irreparable Nachteile zugemutet. Zwingende Gründe dafür erkannte das BVerfG jedoch nicht.
Das OVG habe darüber hinaus die Vielgestaltigkeit möglicher Fehler der Prüfungsentscheidung verkannt. "Jedenfalls in Kombination mit der kategorischen Außerachtlassung möglicher schwerer Nachteile kann die zugrunde gelegte gesetzgeberische Intention einen derart undifferenzierten und völligen Ausschluss einer Prüfung der Erfolgsaussichten der prüfungsrechtlichen Hauptsache nicht rechtfertigen", entschieden die Verfassungsrichter und verwiesen die Sache zurück ans OVG.
acr/LTO-Redaktion
BVerfG zu nicht bestandener Polizeiprüfung: . In: Legal Tribune Online, 23.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41974 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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