Das BVerfG wird wie geplant über die Wahlrechtsreform der großen Koalition aus dem Jahr 2020 entscheiden. Ein Antrag der damaligen Oppositionsparteien, das Verfahren angesichts der Reform der Ampel ruhen zu lassen, hat das Gericht abgelehnt.
Trotz der neuen Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition setzt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sein Verfahren zur Vorgänger-Reform der großen Koalition aus dem Jahr 2020 fort – gegen den Willen von FDP, Linken und Grünen, die damals vor das BVerfG gezogen waren. Die Abgeordneten der damaligen Oppositionsfraktionen hatten beantragt, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, teilte das Gericht in Karlsruhe am Dienstag mit. Das sei abzulehnen, weil an der Fortführung des Verfahrens ein öffentliches Interesse bestehe. Damit findet die mündliche Verhandlung am 18. April wie geplant statt (Beschl. v. 22.03.2023, Az. 2 BvF 1/21).
CDU/CSU und SPD hatten die Änderungen in der vergangenen Wahlperiode im Alleingang beschlossen, nachdem ein Kompromiss trotz mehrerer Anläufe nicht zustande gekommen war. Daraufhin hatten sich FDP, Linke und Grüne zusammengetan, um gemeinsam einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle in Karlsruhe einzureichen. Hintergrund war schon damals die Frage, wie der zu groß gewordene Bundestag verkleinert werden kann. Keine Partei will dabei politisch an Einfluss verlieren.
Inzwischen hat die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP eine eigene Reform auf den Weg gebracht, die ebenfalls hochumstritten ist. Um den Bundestag dauerhaft auf 630 Abgeordnete zu schrumpfen, soll die sogenannte Grundmandatsklausel entfallen. Sie sorgt bisher dafür, dass Parteien auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmen-Ergebnisses in den Bundestag einziehen, wenn sie unter fünf Prozent liegen, aber mindestens drei Direktmandate gewinnen. Gegen die Reform, die am 17. März im Bundestag beschlossen wurde, laufen vor allem CSU und Linke Sturm, für die sich die Änderungen besonders nachteilig auswirken. Die CSU will dagegen noch vor der Sommerpause vor das BVerfG ziehen.
Öffentliches Interesse daran, ob Bundestag verfassungsgemäß gewählt wurde
Grüne, Linke und FDP hatten nun beantragt, das Normenkontrollverfahren zur Wahlrechtsreform 2020 ruhen zu lassen. Durch die neue Ampel-Reform sei das Verfahren gegenstandlos geworden. Laut Gericht haben die Antragsteller "zurzeit kein Interesse daran, das Normenkontrollverfahren weiter zu verfolgen".
Der zuständige Zweite Senat spielt aber nicht mit und lehnte den Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens ab. Es bestehe ein öffentliches Interesse an der Fortführung. Dies folge zum einen daraus, dass der 20. Deutsche Bundestag auf Grundlage der Wahlrechtsnormen gewählt bleibt. "Legitimations- und Integrationsfunktion der Wahl begründen ein erhebliches Interesse an der Feststellung, ob die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf verfassungsmäßiger Grundlage gewählt worden sind", hieß es.
Zum anderen sei derzeit geplant, die Bundestagswahl in einigen Berliner Wahlbezirken wegen der vielen Pannen zu wiederholen – und das müsse nach denselben Vorschriften stattfinden wie die Hauptwahl. "Auch insoweit besteht daher ein erhebliches öffentliches Interesse an der Feststellung, ob diese Normen verfassungskonform sind."
dpa/acr/LTO-Redaktion
BVerfG will Normenkontrollverfahren nicht ruhen lassen: . In: Legal Tribune Online, 28.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51418 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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