Erstmals sind abgelehnte Asylbewerber in einer Sammelabschiebung nach Afghanistan zurückgeflogen worden. Einem von ihnen kam das BVerfG aber rechtzeitig zu Hilfe, seine Abschiebung wurde gestoppt. Allerdings nur vorläufig und für kurze Zeit.
Erstmals sind 34 abgelehnte afghanische Asylbewerber in einer umstrittenen Sammelabschiebung von Deutschland aus Richtung Kabul geflogen worden. "Darunter befanden sich auch acht Afghanen aus Bayern", bestätigte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in einer Mitteilung am Mittwochabend. Er kündigte weitere Rückführungen auch nach Afghanistan an und widersprach Kritik an dieser Praxis. Auch CSU-Chef Horst Seehofer begrüßte die Maßnahme. "Und ich hoffe, dass es keine einmalige Aktion ist", sagte er in der ARD-Sondersendung "Farbe bekennen", die am Mittwochnachmittag aufgezeichnet wurde.
Die Ablehnung eines der abgelehnten Asylbewerber hat allerdings das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Mittwochabend im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig gestoppt. Dabei hat es über die Frage, ob Abschiebungen angesichts der aktuellen Lage in Afghanistan derzeit verfassungsrechtlich vertretbar sind, ausdrücklich nicht entschieden, teilte das Gericht in Karlsruhe mit, das zudem ausdrücklich darauf hinweist, dass die Entscheidung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls erging (Beschl. v. 14.12.2016, Az. 2 BvR 2557/16).
Sie beruhe allein auf einer Folgenabwägung: Der 29-Jährige könne ohne weiteres zu einem späteren Termin abgeschoben werden, sein Asylverfahren könnte er nach einer Abschiebung dagegen kaum mehr fortführen. Die Zeitspanne, die der Afghane gewonnen hat, ist mehr als überschaubar: Die einstweilige Anordnung hat Bestand bis zu einer Entscheidung über seine Verfassungsbeschwerde, längstens jedoch bis zum 26. Januar 2017.
Das erste Asylverfahren des Mannes, der sich bereits seit 2012 in Deutschland aufhält, liegt bereits 30 Monate zurück. Er hatte deshalb 2016 einen Folgeantrag gestellt und diesen mit der Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan begründet. Weil das erste Asylverfahren so lange her ist, könnte, so der Senat, "wegen der Fülle neuer Erkenntnismittel zu Afghanistan die verfassungsrechtlich erforderliche Aktualität der Tatsachengrundlage für eine Abschiebung in Frage stellen". Eine Entscheidung in der Sache traf er daher nicht.
Die Maschine, welche die anderen Afghanen zurück in ihr Heimatland bringen soll, hob nach Verzögerungen am Mittwoch schließlich ohne den 29-Jährigen gen Osten ab. Das geschah unter dem Protest mehrerer hundert Demonstranten in Frankfurt. Kritik kam von der Opposition und Nichtregierungsorganisationen wie Pro Asyl. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach von einem "unbarmherzigen Spiel" von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Die Ärzteorganisation IPPNW hält die Maßnahme für unvereinbar mit der Achtung der Menschenrechte.
pl/dpa/acr/LTO-Redaktion
In letzter Sekunde: . In: Legal Tribune Online, 15.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21470 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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