Das Windenergie-auf-See-Gesetz ist teilweise verfassungswidrig. Es verstoße aufgrund einer fehlenden Ausgleichsregelung für die Entwickler gegen das Vertrauensschutzgebot aus dem Grundgesetz, so das BVerfG.
Das Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) regelt seit 2017 die Entwicklung der Offshore-Windenergie. Mit dem Gesetz wurden viele Investitionen auf See wertlos, ohne einen Ausgleich für die Projektentwickler vorzusehen. Den muss es aber geben, wenn die Ergebnisse weiter verwertet werden können, entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem jetzt veröffentlichten Beschluss (Beschl. v. 30.6.2020 1 BvR 1679/17, 1 BvR 2190/17). Im Übrigen wurden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.
Dem Gericht lagen Verfassungsbeschwerden mehrerer Windpark-Projektentwickler vor, die noch nach der bis Ende 2016 geltenden Seeanlagenverordnung die Zulassung von Offshore-Windparks in der ausschließlichen Wirtschaftszone Nordsee beantragt hatten. Die Beschwerdeführer hatten nach der damals geltenden Rechtslage die für ihre Projekte notwendigen Planungen und Untersuchungen auf eigene Kosten durchgeführt.
Allerdings wurde durch das WindSeeG die Anlagenzulassung in der ausschließlichen Wirtschaftszone neu und detaillierter geregelt. Jetzt liegt die Flächenentwicklung bei Staat, Ausschreibungen sind zentral im Voraus durchzuführen und Anlagenerrichtung und Netzanbindung sind aufeinander abgestimmt. In der Folge wurden die noch laufenden Planfeststellungsverfahren beendet .In dem Zuge verlor eine Beschwerdeführer eine bereits erteilte Genehmigung. Übergangsregelungen gab es nicht.
Investitionen sind Ausgaben, kein Eigentum
Mit neuen Regelungen dürften erteilte Genehmigungen durchaus ihre Bedeutung verlieren, befand das BVerfG. Sie seien kein Eigentum im Sinne des Artikel 14 Grundgesetz (G) und damit nicht geschützt. Das gelte auch für die bereits getätigten Investitionen. "Sie sind für sich genommen schlicht Ausgaben", so die Karlsruher Richter.
Jedoch sei die Systemumstellung mit dem allgemeinen Vertrauensschutzgebot (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) nicht vollständig vereinbar. "Die Bestimmungen entfalten unechte Rückwirkung, die verfassungsrechtlich teilweise nicht gerechtfertigt ist", heißt es in der Mitteilung. Die angegriffenen Regeln seien nicht unbedingt erforderlich, weil dem Gesetzgeber ein milderes, ebenso geeignetes Mittel zu Verfügung stehe, um seine Ziele zu erreichen. Dieser Verfassungsverstoß führe aber nicht zur Nichtigkeit des Gesetzes, weil er nur einen Randbereich betreffe.
Der Staat müsse den Entwicklern die Kosten für ihre Planungen und Untersuchungen finanziell ausgleichen, wenn sie ihre Daten und Unterlagen herausgeben und für die entsprechenden Flächen bis 2030 ein Zuschlag erteilt wird, beschloss das Gericht. Dadurch werde das Vertrauen der Beschwerdeführer weniger enttäuscht. Etwa ein Jahr hat der Gesetzgeber nun Zeit, den Ausgleichsanspruch zu regeln.
pdi/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
BVerfG zum WindSeeG: . In: Legal Tribune Online, 20.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42549 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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