Die 2015 eingeführte Mietpreisbremse ist verfassungskonform. Sie sei geeignet, um der Verdrängung einkommensschwacher Mieter aus Ballungsräumen entgegenzuwirken, so das BVerfG. Vermieter würden gleichzeitig nicht über Gebühr benachteiligt.
Erst am Sonntag hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, die Mietpreisebremse bis 2025 zu verlängern, nun hat das umstrittene Projekt auch juristisch Billigung von höchster Stelle erfahren: Die Mietpreisbremse ist verfassungskonform, entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Beschluss, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Die 3. Kammer des Ersten Senats hatte über zwei Vorlagen und eine Verfassungsbeschwerde zu entscheiden, die - mittelbar beziehungsweise unmittelbar - die bundesrechtliche Regelung über die Mietpreisbremse betrafen (Beschl. v. 18.07.2019, Az. 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18).
Die Mietpreisbremse, 2015 vom Bundestag verabschiedet und in Kraft getreten, ist wohl eines der wichtigsten sozialpolitischen Projekte der SPD aus den vergangenen Jahren. Das Vorhaben aus der Feder des damaligen sozialdemokratischen Bundesjustizministers Heiko Maas war 2015 mit dem Versprechen angegangen worden, den stetig steigenden Mieten und der damit einhergehenden Verdrängung einkommensschwacher Menschen aus deutschen Großstädten Einhalt zu gebieten. Dazu wurde mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz (MietNovG) § 556d in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingeführt, der vorsieht, dass die Miete in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um zehn Prozent übersteigen darf. Die Länder wurden gleichzeitig ermächtigt, für eine Dauer von fünf Jahren solche Gebiete mit einer Rechtsverordnung auszuweisen und damit dort die Mietpreisbremse in Kraft zu setzen.
Von Anfang an regte sich Widerstand von vielen Seiten gegen das Projekt. Während Vermieter und deren Interessenverbände befürchteten, bald nicht mehr frei über ihr Eigentum verfügen zu können, war man in der Opposition der Meinung, die Bremse sei durch Einschränkungen und Ausnahmen schon im Gesetzgebungsverfahren so stark entschärft worden, dass sie kaum noch Wirkung zeigen werde. Aus diesem Grund besserte man später nach.
Vorlagen nicht ausreichend begründet
Die Vorlagen, über die das BVerfG nun zu entscheiden hatte, stammten vom Landgericht (LG) Berlin, in dessen Bezirk die Mietpreisbremse bereits seit 2015 im gesamten Stadtgebiet gilt. Dort klagen Mieter gegen die Vereinbarung einer zu hohen Miete, die Verfahren wurden bis zur Entscheidung in Karlsruhe ausgesetzt. Das Berliner LG war der Ansicht, dass Vermieter aufgrund der Koppelung der Obergrenze an die ortsübliche Vergleichsmiete ungleich behandelt werden. So könnten solche etwa in München deutlich mehr verlangen als solche in Berlin, obwohl in beiden Städten die Mietpreisbremse gilt. Außerdem würden, so das LG, diejenigen Vermieter bevorteilt, die bereits in der Vergangenheit zu hohe Mieten verlangten, denn bei einer neuen Vermietung dürften sie diese beibehalten.
Die Verfassungsbeschwerde stammte indes von einer Berliner Vermieterin, die von ihrer Mieterin erfolgreich verklagt worden war, weil die Miete zu hoch gewesen war. Sie wandte sich gegen die Urteile der Fachgerichte sowie mittelbar gegen die Mietpreisbremse selbst. Sie rügte eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sowie eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots.
Die Karlsruher Richter verwarfen nun die beiden Vorlagen als unzulässig und nahmen die Verfassungsbeschwerde mangels ausreichender Aussicht auf Erfolg nicht zur Entscheidung an. Die Eingaben der Gerichte hielt die Kammer für nicht ausreichend begründet. Es sei nicht deutlich genug dargelegt geworden, inwiefern die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von der Gültigkeit der vorgelegten Vorschriften abhängig sein soll. Auch hätten die Gerichte nicht darlegen können, warum sie von der Verfassungswidrigkeit der Mietpreisbremse überzeugt sind.
Eingriff in das Eigentum gerechtfertigt
Die Verfassungsbeschwerde der Berliner Eigentümerin nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung an, da sie weder in ihrem Eigentumsrecht, ihrer Vertragsschließungsfreiheit noch in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt sei. Zwar greife der Staat mit der Mietpreisbremse in das in Art. 14 GG geschützte Eigentum der Vermieter ein. Diesen Eingriff halten die Karlsruher Richter aber vor dem Hintergrund der damit verfolgten sozialpolitischen Ziele für gerechtfertigt. "Der gesetzgeberische Zweck, durch die Begrenzung der Miethöhe bei Wiedervermietung der direkten oder indirekten Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Wohnquartieren entgegenzuwirken, liegt im öffentlichen Interesse", schreiben sie in ihrem Beschluss.
Dieser Zweck lasse sich zwar womöglich auch durch andere Maßnahmen wie ein erhöhtes Wohngeld oder zusätzliche Wohnbauprojekte erreichen. Dass diese Alternativen gleiche Wirkung zeigen, hielt die Kammer aber nicht für derart offensichtlich, dass der Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers zum Zeitpunkt der Gesetzgebung beschränkt gewesen sei. Einen Vertrauensschutz für Wohnungseigentümer, künftig niemals in der Nutzung beschränkt zu werden, gewähre die Eigentumsgarantie gerade nicht, hielten die Richter fest. Besonders auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssten Vermieter mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und daher auch mit Verschlechterungen ihrer Marktposition rechnen.
Im Übrigen sicherten die Regelungen der Mietpreisbremse auch, dass der Gesetzgeber nicht über das notwendige Maß hinaus in das Eigentum eingreife. Die Beschränkung der Regulierung auf angespannte Wohnungsmärkte gewährleiste schließlich, dass die Mietpreisbremse nur dort zum Einsatz komme, wo sie zum Schutz der Mieter erforderlich sei. Dies werde zusätzlich dadurch gewährleistet, dass der Bundesgesetzgeber die Einschätzung den Ländern übertragen habe, die ihre Wohnungsmärkte regelmäßig besser beurteilen könnten. Die gesetzlichen Anforderungen an die Begründung der Verordnungen reichen nach Ansicht des Verfassungsgerichts aus.
Auch die Tatsache, dass die Mietobergrenze anhand der ortsübliche Vergleichsmiete berechnet wird, in welche aber mit andauernder Gültigkeit der Mietobergrenze zunehmend auch regulierte Mieten einflössen, sei unbedenklich, befand die Kammer. Dieser Eingriff werde dadurch abgemildert, dass die zulässige Höchstmiete die ortsübliche Vergleichsmiete um bis zu zehn Prozent übersteigen dürfe. Außerdem sei die Mietpreisbremse auf höchstens fünf Jahre beschränkt.
Auch regional unterschiedliche Höchstmieten marktgerecht
Auch die unter anderem vom LG Berlin monierte Ungleichbehandlung von Vermietern in unterschiedlichen Regionen, die die Führerin der Verfassungsbeschwerde ebenfalls als Argument vorgebracht hatte, konnte das Verfassungsgericht nicht überzeugen. Die Richter erkannten zwar an, dass sich durch die zwischen Städten wie Berlin und München divergierenden ortüblichen Vergleichsmieten zum Teil sehr unterschiedliche Höchtsmieten ergeben können. Dies führt aber in ihren Augen nicht zu einer verfassungrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung.
So sei schon zweifelhaft, ob bei Vermietern in unterschiedlichen Städten überhaupt von vergleichbaren Sachverhalten die Rede sein könne. Jedenfalls sei eine Ungleichbehandlung von - unterstellt - wesentlich Gleichem in diesem Fall gerechtfertigt. Indem der Gesetzgeber nämlich auf die ortsübliche Vergleichsmiete abstelle, verfolge er das Ziel, dass sich die regulierten Mieten und damit die Wirtschaftlichkeit der Vermietung stets am Markt orientiert. Das empfanden die Richter als sachgerecht, schließlich spiegelten so die regionalen Abweichungen der Höchstmiete die Abweichungen auf dem allgemeinem Mietmarkt in der Region wider. Vermieter könnten ohnehin nicht beeinflussen, wo sich ihre Immobilie befinde und müssten sich stets regionalen Besonderheiten unterwerfen, befand die Kammer. Eine bundesweit einheitliche Mietobergrenze hätte dagegen keinen hinreichenden sachlichen Bezug.
Auch die Gleichstellung von gewerblichen und privaten Vermietern sei vor dem Hintegrund der verfolgten Ziele berechtigt, so das BVerfG. Auch begründeten die Ausnahmen, speziell der Bestandsschutz für bereits überhöhte Mieten und die Ausnahme für nach dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzten und vermieteten Wohnungen, nicht zu verfassungsrechtlichen Bedenken. Ebenso sei die Mietbegrenzungsverordnung in Berlin ordnungsgemäß erlassen worden und verletze entsprechend nicht die Eigentumsgarantie.
Die Mietpreisbremse ist damit in der vom BVerfG geprüften Form verfassungskonform. Angesichts der am Sonntag beschlossenen Verlängerung der Geltungsdauer sowie der Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete von vier auf sechs Jahre ist aber nicht sicher, ob die Mietpreisbremse nicht noch einmal in Karlsruhe landen könnte.
mam/LTO-Redaktion
BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 20.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37133 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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