Die Impfpflicht für Kinder gegen Masern bleibt vorerst bestehen. Das BVerfG hat die Eilanträge zweier Elternpaare abgelehnt, die ohne Impfung keine Betreuungsmöglichkeit für ihre Kinder sehen. Der Gesundheitsschutz vieler Menschen habe Vorrang.
Kinder in der Kindertagesstätte oder bei der Kindertagespflege müssen gegen die Masern geimpft oder immun sein – so will es das Infektionsschutzgesetz (IfSG), das spätestens seit der Corona-Pandemie der breiten Öffentlichkeit geläufig sein dürfte. Diese Impfpflicht hat auch nach zwei Eilanträgen weiter Bestand, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in der vergangenen Woche abgelehnt hat, wie es am Montag bekanntgab (Beschl. v. 11.05.2020, Az. 1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20).
Zwei Elternpaare hatten in den Eilverfahren nach § 32 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) erreichen wollen, dass sie ihre Kleinkinder auch ohne einen Impfnachweis in Kindertagesstätten beziehungsweise bei einer Tagesmutter zumindest solange betreuen lassen dürfen, bis über ihre ebenfalls eingereichten Verfassungsbeschwerden entschieden worden ist.
Zum stärkeren Schutz vor den hoch ansteckenden Masern gilt seit März eine Impfpflicht für Kinder in Kitas und Schulen. Eltern müssen bereits vor der Aufnahme nachweisen, dass ihre Kinder geimpft sind. Für Kinder, die schon zur Kita oder zur Schule gehen, muss der Nachweis bis zum 31. Juli 2021 erfolgen.
Allerdings hält das BVerfG die Verfassungsbeschwerden der Eltern, mit denen sie sich gegen Teile des § 20 IfSG wenden, nicht für aussichtslos, wie sie am Montag in einer Mitteilung betonten. Es bedürfe einer eingehenden Prüfung; vorerst habe die Impfpflicht aber weiter Bestand.
Weiterverbreitung von Krankheiten ein wichtiges Ziel
Im Eilverfahren ging es nun "nur" um die Frage, was in der Zwischenzeit schlimmere Folgen hätte: Das Fortbestehen des Betreuungsverbots oder die Aufnahme nicht geimpfter Kinder in eine Kindertagesstätte? Diese Entscheidung fiel gegen die Impfgegner aus.
Das Interesse, Kinder ohne die Schutzimpfung in einer Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen, müsse gegenüber dem Interesse an der Abwehr des Risikos einer Maserninfektion für Leib oder Leben vieler Menschen zurücktreten, so die 1. Kammer des Ersten Senats.
Dabei betonten die Karlsruher Richter, dass Masernimpfungen jeden Einzelnen in einer Gemeinschaftseinrichtung schützten. Entscheidender sei es aber noch in der Bevölkerung eine hohe Impfquote zu erreichen, um eine Weiterverbreitung von Krankheiten zu verhindern. So könnten auch Personen geschützt werden, die aus medizinischen Gründen selbst nicht geimpft werden könnten, bei denen aber schwere Krankheitsverläufe bei einer Infektion zu erwarten wären.
Die bloßen wirtschaftlichen Folgen der Eltern, sich für ihre minderjährigen Kinder um eine andere Art der Kinderbetreuung kümmern, müssten deswegen hinter dem Leib- und Lebensschutz zurücktreten, zu dem der Staat auch aus Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verpflichtet sei, so das BVerfG.
Wann über die Verfassungsbeschwerden von insgesamt vier Familien entschieden wird, ist noch unklar. Die Eltern werden von der "Initiative freie Impfentscheidung" und dem Verein "Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V." unterstützt. Aus ihrer Sicht wird ihnen jede Möglichkeit einer externen Betreuung ihrer Kinder genommen.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
BVerfG lehnt Eilanträge ab: . In: Legal Tribune Online, 18.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41653 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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